Anteiliger Wegfall des Verlustvortrags nach § 8c KStG nicht mit dem Grundgesetz vereinbar

Werden innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 %, aber nicht mehr als 50 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber übertragen (schädlicher Beteiligungserwerb), sind die bis dahin nicht genutzten Verluste, soweit sie rechnerisch auf die übertragenen Anteile entfallen, nicht mehr abziehbar (§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG).

Gemäß Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 29. März 2017 ist diese Regelung sowie die inhaltsgleiche Vorgängerregelung in § 8c Satz 1 KStG a.F. nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar (vgl. Az. 2 BvL 6/11, DStR 2017, S. 1094).

Die Verfassungsrichter sehen in der Verlustabzugsbeschränkung eine Ungleichbehandlung, für die ein sachlich einleuchtender Grund fehlt. Allein die Übertragung von mehr als 25 % der Anteile indiziere für sich genommen nicht bereits eine missbräuchliche Gestaltung. Somit habe der Gesetzgeber eine abstrakte Missbrauchsgefahr zum Anlass für eine vom typischen Missbrauchsfall losgelöste und über diesen hinausgehend generelle Verlustnutzungsregelung genommen. Zwar liege der Vorschrift der im Steuerrecht anerkannte Grundsatz zugrunde, dass beim steuerlichen Verlustabzug das Steuersubjekt, das den Verlustabzug nutzen möchte, mit dem Steuersubjekt identisch sein muss, das den Verlust erlitten habe. Der Gesetzgeber habe aber die Grenzen seiner Typisierungsbefugnis überschritten, soweit er allein an der Übertragung von mehr als 25 % und bis zu 50 % der Anteile festmache. Mangels sachlichen Grundes für die Ungleichbehandlung halte die Verlustabzugsbeschränkung bereits der Prüfung am Maßstab des Willkürverbots nicht stand.

Diese Gründe, die zur Verfassungswidrigkeit führen, treffen - neben der Vorgängerregelung in § 8c Satz 1 KStG a.F. - auf die derzeit geltende Regelung in § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG zumindest bis zum 31. Dezember 2015 zu. Ob sich mit der Einführung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d KStG mit Wirkung zum 1. Januar 2016 ein davon abweichendes Ergebnis einer verfassungsrechtlichen Überprüfung ergeben würde, bedarf laut BVerfG einer gesonderten Betrachtung.

Hinweis:

Das BVerfG gibt dem Gesetzgeber auf, bis zum 31. Dezember 2018 rückwirkend für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2015 durch eine Neuregelung der Verlustabzugsbeschränkung den festgestellten Verfassungsverstoß zu beseitigen. Sollte der Gesetzgeber dieser Verpflichtung nicht nachkommen, tritt am 1. Januar 2019 im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der jeweiligen Regelung die Nichtigkeit des § 8c Satz 1 KStG a.F. sowie des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG ein.

Zudem hat das FG Hamburg mit Beschluss vom 29. August 2017 dem BVerfG die Regelung des § 8c Satz 2 KStG a.F. (jetzt § 8c Absatz 1 Satz 2 KStG) zur verfassungsrechtlichen Überprüfung vorgelegt. Nach der Überzeugung des FG Hamburg ist auch die Regelung, wonach der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft vollständig wegfällt, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 % der Anteile übertragen werden, ebenso nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, wie dies das BVerfG bereits für die Regelung des anteiligen Verlustuntergangs (also 25 % bis 50 %) entschieden hat.

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