Die neuen GoBD zur DV-gestützten Buchführung und zum Datenzugriff

Mit Schreiben vom 14.11.2014 hat das Bundesministerium der Finanzen die sogenannten „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“, kurz GoBD, veröffentlicht. Das umfangreiche, 184 Textziffern enthaltende Schreiben konkretisiert die Ordnungsmäßigkeitsanforderungen der Finanzverwaltung an den Einsatz von Datenverarbeitungssystemen (DV-Systemen) bei der Buchführung und bei sonstigen Aufzeichnungen. Die GoBD fassen quasi mit Wirkung zum 01.01.2015 die inzwischen fast 20 Jahre alten Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GdPdU) von 2001 zusammen und aktualisieren deren Inhalte auch mit Blick auf die zwischenzeitliche EDV-technische Weiterentwicklung.

Bei den GoBD handelt es sich in erster Linie um eine Verwaltungsanweisung, die folglich die Finanzverwaltung selbst bindet, nicht aber den Steuerpflichtigen. Jedoch sind die GoBD inhaltlich und ihr Wesen selbst als Grundsätze bezeichnend einzigartig, weshalb anderslautende Auffassungen zu einer ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff sich immer in Konkurrenz zu den GoBD stellen müssten und folglich zu Argumentationszwang im Streitfalle führen würden. Schon allein aus Haftungs- und Risikogesichtspunkten scheint deshalb schlecht beraten zu sein, wer den GoBD keine Beachtung schenkt. Zahlreiche Konkretisierungen und Verschärfungen in den GoBD im Vergleich zu den GoBS und den GdPdU machen Analysen und ggf. Anpassungen bei den Buchführungs- bzw. Steuerpflichtigen und bei den von Ihnen eingesetzten DV-Systemen notwendig.

Einige der von den GoBD beinhalteten Grundsätze stellen wir folgend beispielhaft vor. Eine vollumfängliche Darstellung und Kommentierung der GoBD würde den hier zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen. Schon deshalb sei bereits an dieser Stelle dringend empfohlen, sich mit den GoBD, ggf. unter Hinzuziehung eines steuerlichen Beraters, zu befassen.

Grundsatz der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit

Die GoBD stellen klar, dass die Buchführung so beschaffen sein muss, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung lückenlos verfolgen lassen (progressive und retrograde Prüfbarkeit). Die progressive Prüfung beginnt beim Beleg, geht über die Grund(buch)auf-zeichnungen und Journale zu den Konten, danach zur Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung und schließlich zur Steueranmeldung bzw. Steuererklärung. Die retrograde Prüfung verläuft umgekehrt. Die progressive und retrograde Prüfung muss für die gesamte Dauer der Aufbewahrungsfrist der Bücher und in jedem Verfahrensschritt möglich sein. Die Nachprüfbarkeit der Bücher und sonst erforderlichen Aufzeichnungen erfordert eine aussagekräftige und vollständige Verfahrensdokumentation, die sowohl die aktuellen als auch die historischen Verfahrensinhalte für die Dauer der Aufbewahrungsfrist nachweist und den in der Praxis eingesetzten Versionen des DV-Systems entspricht. Die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit muss für die Dauer der Aufbewahrungsfrist gegeben sein. Dies gilt auch für die zum Verständnis der Buchführung oder Aufzeichnungen erforderliche Verfahrensdokumentation.

Vollständigkeit

Die GoBD regeln, dass die vollständige und lückenlose Erfassung und Wiedergabe aller Geschäftsvorfälle bei DV-Systemen durch ein Zusammenspiel von technischen (einschließlich programmierten) und organisatorischen Kontrollen sicherzustellen ist (z. B. durch Erfassungskontrollen, Plausibilitätskontrollen bei Dateneingaben, inhaltliche Plausibilitätskontrollen, die automatisierte Vergabe von Datensatznummern, Lückenanalysen oder Mehrfachbelegungsanalysen bei Belegnummern). Solche Kontrollen sind mithin einzurichten und zu dokumentieren. 

Zeitgerechte Buchungen und Aufzeichnungen

Nach den GoBD gilt jede nicht durch die Verhältnisse des Betriebs oder des Geschäftsvorfalls zwingend bedingte Zeitspanne zwischen dem Eintritt eines Geschäftsvorfalls und seiner laufenden Erfassung in Grund(buch)aufzeich-nungen als bedenklich. Eine Erfassung von unbaren Geschäftsvorfällen innerhalb von zehn Tagen ist unbedenklich – im Umkehrschluss ist die Erfassung nach mehr als zehn Tagen also bedenklich. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen täglich festgehalten werden. Nicht zu beanstanden ist es, wenn Waren- und Kostenrechnungen, die innerhalb von acht Tagen nach Rechnungseingang oder innerhalb der ihrem gewöhnlichen Durchlauf durch den Betrieb entsprechenden Zeit beglichen werden, kontokorrentmäßig nicht erfasst werden.

Werden bei der Erstellung der Bücher Geschäftsvorfälle nicht laufend, sondern nur periodenweise gebucht bzw. den Büchern vergleichbare Aufzeichnungen der Nichtbuchführungspflichtigen nicht laufend, sondern nur periodenweise erstellt, dann ist dies unter folgenden Voraussetzungen nicht zu beanstanden:

Die Erfassung der unbaren Geschäftsvorfälle eines Monats erfolgt bis zum Ablauf des folgenden Monats („Festschreibung“; zulässig ist bei Dauerfristverlängerungen wohl die Ausschöpfung der Frist bis zur Abgabe der Umsatzsteu-ervoranmeldung am 10. des je übernächsten Monats). In den Büchern bzw. den Büchern vergleichbaren Aufzeichnungen der Nichtbuchführungspflichtigen ist zudem durch organisatorische Vorkehrungen sichergestellt, dass die Unterlagen bis zu ihrer Erfassung nicht verloren gehen (z. B. durch laufende Nummerierung der eingehenden und ausgehenden Rechnungen, durch Ablage in besonderen Mappen und Ordnern oder durch elektronische Grund(buch)-aufzeichnungen in Kassensystemen, Warenwirtschaftssystemen, Fakturierungssystemen etc.).

Unveränderbarkeit

Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind. Veränderungen und Löschungen von und an elektronischen Buchungen oder Aufzeichnungen müssen daher protokolliert werden. Für elektronische Dokumente und andere elektronische Unterlagen, die gem. § 147 AO aufbewahrungspflichtig und nicht Buchungen oder Aufzeichnungen sind, gilt dies sinngemäß.

Elektronische Aufbewahrung

Aufbewahrungspflichtige Unterlagen müssen geordnet aufbewahrt werden. Ein bestimmtes Ordnungssystem ist nicht vorgeschrieben. Die Ablage kann z. B. nach Zeitfolge, Sachgruppen, Kontenklassen, Belegnummern oder alphabetisch erfolgen. Bei elektronischen Unterlagen ist ihr Eingang, ihre Archivierung und ggf. Konvertierung sowie die weitere Verarbeitung zu protokollieren. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass ein sachverständiger Dritter innerhalb angemessener Zeit prüfen kann.

Sind aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtige Daten, Datensätze, elektronische Dokumente und elektronische Unterlagen im Unternehmen entstanden oder dort eingegangen, sind sie auch in dieser Form aufzubewahren und dürfen vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht gelöscht werden. Sie dürfen daher nicht mehr ausschließlich in ausgedruckter Form aufbewahrt werden und müssen für die Dauer der Aufbewahrungsfrist unveränderbar erhalten bleiben (z. B. per E-Mail eingegangene Rechnung im PDF-Format oder eingescannte Papierbelege). Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufbewahrung im Produktivsystem oder durch Auslagerung in ein anderes DV-System erfolgt.

Werden Handels- oder Geschäftsbriefe und Buchungsbelege in Papierform empfangen und danach elektronisch erfasst (gescannt), ist das Scanergebnis so aufzubewahren, dass die Wiedergabe mit dem Original bildlich übereinstimmt, wenn es lesbar gemacht wird.

Eingehende elektronische Handels- oder Geschäftsbriefe und Buchungsbelege müssen in dem Format aufbewahrt werden, in dem sie empfangen wurden (z. B. Rechnungen oder Kontoauszüge im PDF- oder Bildformat). Eine Umwandlung in ein anderes Format (z. B. MSG in PDF) ist dann zulässig, wenn die maschinelle Auswertbarkeit nicht eingeschränkt wird und keine inhaltlichen Veränderungen vorgenommen werden.

Im DV-System erzeugte Daten (z. B. Grund(buch)aufzeichnungen in Vor- und Nebensystemen, Buchungen, generierte Datensätze zur Erstellung von Ausgangsrechnungen) oder darin empfangene Daten (z. B. EDI-Verfahren) müssen im Ursprungsformat aufbewahrt werden.

Im DV-System erzeugte Dokumente (z. B. als Textdokumente erstellte Ausgangsrechnungen, elektronisch abgeschlossene Verträge, Handels- und Geschäftsbriefe, Verfahrensdokumentation) sind im Ursprungsformat aufzubewahren. Unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ist es nicht zu beanstanden, wenn elektronisch erstellte und in Papierform abgesandte Handels- und Geschäftsbriefe nur in Papierform aufbewahrt werden. Eine Umwandlung in ein anderes Format (z B. Inhouse-Format) ist zulässig, wenn die maschinelle Auswertbarkeit nicht eingeschränkt wird und keine inhaltliche Veränderung vorgenommen wird.

Verfahrensdokumentation

Für jedes DV-System muss eine übersichtlich gegliederte Verfahrensdokumentation vorhanden sein, aus der Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnisse des DV-Verfahrens vollständig und schlüssig ersichtlich sind. Der Umfang der im Einzelfall erforderlichen Dokumentation wird dadurch bestimmt, was zum Verständnis des DV-Verfahrens, der Bücher und Aufzeichnungen sowie der aufbewahrten Unterlagen notwendig ist. Die Verfahrensdokumentation muss verständlich und damit für einen sachverständigen Dritten in angemessener Zeit nachprüfbar sein. Die konkrete Ausgestaltung der Verfahrensdokumentation ist abhängig von der Komplexität und Diversifikation der Geschäftstätigkeit und der Organisationsstruktur sowie des eingesetzten DV-Systems.

Die Verfahrensdokumentation beschreibt den organisatorisch und technisch gewollten Prozess, z. B. bei elektronischen Dokumenten von der Entstehung der Informationen über die Indizierung, Verarbeitung und Speicherung, dem eindeutigen Wiederfinden und der maschinellen Auswertbarkeit, der Absicherung gegen Verlust und Verfälschung und der Reproduktion. Die Verfahrensdokumentation besteht in der Regel aus einer allgemeinen Beschreibung, einer Anwenderdokumentation, einer technischen Systemdokumentation und einer Betriebsdokumentation.

Für den Zeitraum der Aufbewahrungsfrist muss gewährleistet und nachgewiesen sein, dass das in der Dokumentation beschriebene Verfahren dem in der Praxis eingesetzten Verfahren voll entspricht. Dies gilt insbesondere für die eingesetzten Versionen der Programme (Programm-identität). Die Verfahrensdokumentation ist bei Änderungen zu versionieren und eine nachvollziehbare Änderungshistorie vorzuhalten. Aus der Verfahrensdokumentation muss sich ergeben, wie die Ordnungsvorschriften und damit die in den GoBD enthaltenen Anforderungen beachtet werden. Die Aufbewahrungsfrist für die Verfahrensdokumentation läuft nicht ab, soweit und solange die Aufbewahrungsfrist für die Unterlagen noch nicht abgelaufen ist, zu deren Verständnis sie erforderlich ist.

Datensicherheit

Das DV-System ist gegen Verlust (z. B. Unauffindbarkeit, Vernichtung, Untergang und Diebstahl) zu sichern und gegen unberechtigte Eingaben und Veränderungen (z. B. durch Zugangs- und Zugriffskontrollen) zu schützen. Werden die Daten, Datensätze, elektronischen Dokumente und elektronischen Unterlagen nicht ausreichend geschützt und können deswegen nicht mehr vorgelegt werden, so ist die Buchführung formell nicht mehr ordnungsmäßig. Die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen sind vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Die Beschreibung der Vorgehensweise zur Datensicherung ist Bestandteil der Verfahrensdokumentation.

Empfehlung

Die GoBD unterstellen implizit, deren – auch nur teilweise – Nichtbefolgung führe zur Beanstandung oder gar zur Verwerfung der Buchführung und ermögliche damit eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen. Einer der wichtigen Punkte der GoBD ist dabei sicherlich die Konkretisierung der Frist zur Festschreibung von erfassten Buchungssätzen. Die vorliegenden Ausführungen sollen dazu dienen, grundsätzlich über die GoBD zu informieren und für diese zu sensibilisieren, sie geben keinesfalls die Inhalte der GoBD in Gänze wieder. Aufzeichnungs- und buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen, die sich bis dato mit den GoBD noch nicht befasst haben, sei nahegelegt, sich mit den Inhalten der GoBD auseinanderzusetzen, sich ggf. mit ihrem DV-Systemlieferanten/ ‑betreuer in Verbindung zu setzen und ihre Prozesse im Unternehmen an den Anforderungen der GoBD auszurichten. Dazu ist eine Überprüfung und eventuell eine Anpassung der Buchführungsprozesse, der digitalen Aufbewahrung und der Protokollierung – insbesondere an Schnittstellen – erforderlich.