Rechtsprechungsänderung zum Ausfall von Gesellschafterdarlehen

Der Ausfall von Gesellschafterdarlehen kann seit der Veröffentlichung eines BFH-Urteils am 27. September 2017 nicht mehr als nachträgliche Anschaffungskosten des Gesellschafters bei den Einkünften nach § 17 EStG steuermindernd berücksichtigt werden, sondern nur noch, wenn es sich um offene oder verdeckte Einlagen in das Kapital der Gesellschaft handelt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Juli 2017 - IX R 36/15). Aus Gründen des Vertrauensschutzes gilt jedoch die bisherige Rechtsprechung bis zum 27. September 2017 fort, wenn der Steuerpflichtige bis dahin Darlehen gewährt hat und die Krise eingetreten ist.

Wenn jedoch nach dem vorrangigen § 17 EStG eine Berücksichtigung der gewährten Finanzierungshilfen des Gesellschafters nicht in Frage kommt, besteht nach einem weiteren neuen Urteil des BFH noch die Möglichkeit, dass nach dem endgültigen Ausfall eines privaten Darlehens beim Gesellschafter ein Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG berücksichtigt wird (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2017 - VIII R 13/15, veröffentlicht am 20. Dezem-ber 2017).

Die Folgen dieser beiden wichtigen Urteile werden nachstehend erläutert:

1. Sehr häufig gewähren Gesellschafter ihrer GmbH ein Darlehen aus ihrem Privatvermögen. Wenn das Darlehen aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Gesellschaft später ausfällt, kann der Verlust des Darlehens nach der bisherigen Rechtsprechung zu nachträglichen Anschaffungskosten des Gesellschafters auf seine GmbH-Beteiligung führen und damit bei einer späteren Veräußerung der Geschäftsanteile den Veräußerungsgewinn mindern oder bei einer Auflösung der Gesellschaft den Auflösungsgewinn mindern bzw. den Auflösungsverlust erhöhen. Ähnliche Wirkungen können sich nach der bisherigen Rechtsprechung bei der Übernahme einer Bürgschaft durch den Gesellschafter zugunsten seiner GmbH ergeben, wenn der Gesellschafter aus der Bürgschaft in Anspruch genommen wurde und seine Rückgriffsforderung gegenüber der GmbH wertlos geworden ist. Bisher haben der BFH und die Finanzverwaltung (vgl. BMF-Schreiben vom 21. Oktober 2010 – IV C 6-S 2244/08/10001, BStBl I 2010, S. 832) darauf abgestellt, ob es sich bei der Finanzierungshilfe zivilrechtlich um Eigenkapitalersatz handelt. Wenn dies bejaht wurde, wurde geprüft, in welcher Höhe durch die Finanzierungshilfe nachträgliche Anschaffungskosten entstanden sind.

Zu den Anschaffungskosten gehörten nach dieser Rechtsprechung neben den offenen und verdeckten Einlagen auch sonstige nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, sofern diese durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 EStG noch Veräußerungs- oder Auflösungskosten bei den Einkünften i.S.d. § 17 EStG sind. Dabei hat der BFH nachträgliche Anschaffungskosten beim Ausfall des Anspruchs eines Gesellschafters auf Rückzahlung des der Gesellschaft gewährten Darlehens oder bei Zahlung des Gesellschafters auf eine Bürgschaft und Wertlosigkeit des gegen die Gesellschaft gerichteten Rückgriffsanspruchs angenommen, wenn die Hingabe des Darlehens oder die Übernahme der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Bei dieser Frage hat der BFH in der Vergangenheit darauf abgestellt, ob die Finanzierungshilfe eigenkapitalersetzenden Charakter i.S.d. §§ 32a, 32b GmbH a.F. hat, d. h. ob es sich aus Sicht des Zivilrechts um funktionales Eigenkapital handelt. Dies war der Fall, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft in einer Krise, in der ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute nur noch Eigenkapital zugefügt hätten, stattdessen ein Darlehen gewährt, eine Bürgschaft gestellt oder eine wirtschaftlich entsprechend andere Rechtshandlung vorgenommen hat. Hinsichtlich der Höhe von nachträglichen Anschaffungskosten hat der BFH nach Art und Zeitpunkt der gewährten Finanzierungshilfe differenzierend vier Fallgruppen gebildet:

  • Gewährung der Finanzierungshilfe in der Krise è Anschaffungskosten in Höhe des Nennwerts der Finanzierungshilfe bei der Gewährung
  • Stehenlassen einer Finanzierungshilfe in der Krise è gemeiner Wert der Finanzierungshilfe bei Stehenlassen (i.d.R. € 0,00)
  • Gewährung einer krisenbestimmten Finanzierungshilfe è Nennwert der Finanzierungshilfe bei Gewährung
  • Gewährung eines Finanzplandarlehens è Nennwert des Darlehens bei Gewährung.

Obwohl daher das Darlehen, das vor dem Kriseneintritt und ohne eine Krisenbestimmungsabrede gewährt wurde, mit dem Stehenlassen in der Krise nach bisherigem Verständnis eigenkapitalersetzend wurde, entstanden i.d.R. keine nachträglichen Anschaffungskosten, weil für die Ermittlung der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten in diesem Fall der gemeine Wert in dem Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem der Gesellschafter das Darlehen mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abzieht. Hier lag in vielen Fällen der Wert erheblich unter dem Nennwert und wurde in der Praxis häufig mit EUR 0,00 geschätzt.

Mit den Änderungen des MoMiG vom 23. Oktober 2008 wurde das zivilrechtliche Eigenkapitalersatzrecht durch Streichung der §§ 32a, 32b GmbHG a.F. abgeschafft und durch einen in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO geregelten generellen Nachrang sämtlicher Gesellschafterdarlehen und vergleichbarer Finanzierungshilfen in der Insolvenz ersetzt. Finanzierungshilfen sind damit nach Auffassung des IX. Senats des BFH (IX R 36/15) nicht mehr wie Eigenkapital gebunden und daher ist es auch nicht mehr gerechtfertigt, sie als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Stattdessen hat sich der Anschaffungskostenbegriff nach dem auch im Steuerrecht anzuwendenden § 255 Abs. 1 HGB zu richten, so dass nachträgliche Anschaffungskosten nur noch bei offenen und verdeckten Einlagen i.S.d. Handels- und Steuerbilanzrechts vorliegen oder wenn die Finanzierungshilfe aufgrund vertraglicher Abreden mit einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen vergleichbar ist. Dies wird in der Literatur z.T. stark angegriffen.

Diese Rechtsprechungsänderung betrifft allerdings nur den Fall, dass die Geschäftsanteile und die Darlehensforderungen im Privatvermögen des Gesellschafters liegen. Werden die Geschäftsanteile und die Darlehensforderungen im Betriebsvermögen gehalten, so gelten andere Regeln.

Da die Rechtsprechungsänderung gravierende Folgen für den Steuerpflichtigen hat, hat sich der BFH veranlasst gesehen, eine Vertrauensschutzregelung dahingehend zu treffen, dass die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze weiterhin anzuwenden sind, wenn der Steuerpflichtige bis einschließlich 27. September 2017 „die für ihn endgültige wirtschaftliche Disposition getroffen hat“. Dies war nach den bisherigen Grundsätzen entweder der Zeitpunkt der Hingabe einer von vornherein eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfe oder ein Stehenlassen seiner Finanzierungshilfe bei Eintritt der Krise.

Zukünftig ist bis auf weiteres also zu beachten, dass nachträgliche Anschaffungskosten nur noch durch Nachschüsse i.S.d. §§ 26 ff. GmbHG, sonstige Zuzahlungen nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB wie Einzahlungen in die Kapitalrücklage, durch Barzuschüsse oder durch den Verzicht auf eine noch werthaltige Forderung entstehen.

Fremdkapitalhilfen des Gesellschafters können danach nur noch im Ausnahmefall zu Anschaffungskosten der Beteiligung führen, wenn die vom Gesellschafter gewährte Fremdkapitalhilfe aufgrund der vertraglichen Abreden mit der Zuführung einer Einlage in das Gesellschaftsvermögen wirtschaftlich vergleichbar ist. Dies kann nach Auffassung des BFH dann etwa der Fall sein, wenn bei einem Gesellschafterdarlehen dessen Rückzahlung auf der Grundlage der von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen - wie beispielsweise der Vereinbarung eines Rangrücktritts i.S.d. § 5 Abs. 2a EStG - im Wesentlichen denselben Voraussetzungen unterliegt wie die Rückzahlung von Eigenkapital (vgl. BFH-Urteil v. 30. Septem-ber 2011 - I R 100/10, BStBl 2012 II, S. 332). Dieses Darlehen wäre auch bilanzsteuerlich wie zusätzliches Eigenkapital zu behandeln (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 2015 I R 44/14, BStBl 2015 II, S. 769; vom 10. August 2016 I R 25/15, BStBl 2017 II, S. 670). Allerdings ist der Hinweis des BFH auf den Rangrücktritt i.S.d. § 5 Abs. 2a EStG unklar. Hier bleibt eine zukünftige Präzisierung des BFH abzuwarten.

Zukünftig empfiehlt es sich, die Kapitalgesellschaft im Falle einer sich anbahnenden Krisensituation mit Eigenkapital (z. B. Barzuschüsse in Kapitalrücklage) statt mit Fremdkapital auszustatten. Auch von einer Gewährung einer Gesellschafterbürgschaft zugunsten der GmbH ist in diesem Fall künftig abzuraten.

2. Das zitierte zweite Urteil des VIII. Senats des BFH vom 24. Oktober 2017 (VIII R 13/15) kommt eventuell dann zum Zuge, wenn die vorrangige Vorschrift des § 17 EStG nicht weiterhilft. Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art nach Einführung der Abgeltungsteuer zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Darunter fällt nicht nur die Veräußerung einer privaten Darlehensforderung durch den Gesellschafter, sondern auch die Veräußerung einer Rückgriffsforderung des Gesellschafters als Bürge. Der BFH setzt den Forderungsausfall mit einer Veräußerung der Forderung gleich und kommt so zur Berücksichtigung der mit dem Forderungsausfall verbundenen Aufwendungen nach § 20 Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG.

Der endgültige Ausfall einer solchen Kapitalforderung im Privatvermögen führt also zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust. Der BFH begründet dies damit, dass auch die Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter ohne Gegenleistung zu einem Veräußerungsverlust führt und deshalb der Ausfall der Rückzahlung einer Kapitalforderung gleichzustellen ist. Wirtschaftlich betrachtet macht es keinen Unterschied, ob der Steuerpflichtige die Forderung noch kurz vor dem Ausfall zu null veräußert oder ob er sie, weil er keinen Käufer findet oder auf eine Quote hofft, behält. In beiden Fällen erleidet der Steuerpflichtige eine „Einbuße seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“, die die gleiche steuerliche Berücksichtigung finden muss. Die Gefahr einer ausufernden Verlustnutzung ist lt. BFH nicht größer als beim Verkauf der Forderung und wird durch die Verrechnungsbeschränkung des § 20  Abs. 6 EStG begrenzt.

Allerdings liegt ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Satz 2 und Abs. 4 EStG erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass über bereits bezahlte Beträge hinaus keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht nach Auffassung des BFH in aller Regel hierfür nicht aus. Etwas anderes soll gelten, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr zu erwarten ist.

Die Höhe des Rückzahlungsverlustes errechnet sich nach § 20 Abs. 4 EStG als Unterschied zwischen den Einnahmen aus den Rückzahlungen nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Ausfall der Forderung stehen, und den Anschaffungskosten. Das Urteil gilt für alle Forderungen, die von der Abgeltungsteuer erfasst werden.

Die in der Praxis häufig empfohlene Ausweichgestaltung der Veräußerung der im Wert geminderten Forderung, die der BFH in seiner oben zitierten Entscheidung als Begründung heranzieht und damit grundsätzlich toleriert, ist daher nur noch in Betracht zu ziehen, um eventuelle Unsicherheiten bezüglich des Zeitpunkts der Verlustentstehung zu vermeiden.

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass noch ein weiteres Verfahren beim X. Senat des BFH zur gleichen Rechtsfrage anhängig ist (X R 9/17). Es ist nicht ausgeschlossen, dass unterschiedliche Senate des BFH abweichende Auffassungen vertreten. Dann müsste der X. Senat allerdings die Sache wohl dem Großen Senat zur Klärung vorlegen.

3. Für den Ausfall eines Gesellschafterdarlehens oder die Regressforderung eines Gesellschafter-Bürgen ist von erheblicher Relevanz, ob die Forderung des Gesellschafters der Abgeltungsteuer unterliegt oder nicht. Dies bestimmt sich danach, ob der Gesellschafter mit mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist oder mit weniger als 10 %. Ist der Gesellschafter mit mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt, so ist die Nutzung des Verlustes im Rahmen des § 20 EStG durch volle Verrechnung mit tarifbesteuerten Einkünften möglich. Ist der Gesellschafter mit weniger als 10 % beteiligt, wirkt sich der Verlust bei Anwendung des § 20 EStG im Rahmen des Sondertarifs des § 32d EStG nur in Höhe von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag aus.

Darauf hinzuweisen ist allerdings, dass zu dem Komplex noch mehrere Revisionsverfahren beim BFH anhängig sind und dass die Finanzverwaltung sich bisher noch nicht zu den neuen Urteilen geäußert hat, so dass die weitere Entwicklung sorgfältig beobachtet und bei der zukünftigen Gestaltung berücksichtigt werden muss.

Johannes Bitzer, RA/StB
UHY Deutschland AG, München

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