Die Erbschaftsteuerreform – Zwischenfazit und Gestaltungsüberlegungen – Teil 2

Durch die neue Gesetzgebung im Erbschaftsteuerrecht kommt der Struktur des Betriebsvermögens eine deutlich größere Bedeutung zu als nach altem Recht. War es bisher erbschaftsteuerlich unschädlich, wenn das Betriebsvermögen zu 50 % aus Verwaltungsvermögen bestand, so gilt nach neuem Recht, dass Verwaltungsvermögen grundsätzlich gar nicht mehr begünstigt ist. Außerdem wurde der Katalog der Vermögensgegenstände, die ihrer Art nach zum Verwaltungsvermögen gezählt werden, erweitert.

Bisher galten folgende Vermögensgegenstände als Verwaltungsvermögen:

  • Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke, Grundstücksteile, grundstücksgleiche Rechte und Bauten
  • Anteile an Kapitalgesellschaften unter 25 %
  • Wertpapiere und vergleichbare Forderungen
  • Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben, Geldforderungen, andere Forderungen
  • (= Finanzmittel) nach Abzug von Schulden
  • Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken, Archive, Münzen, Edelmetalle, Edelsteine

Nun zählen zum Verwaltungsvermögen auch

  • Briefmarkensammlungen,
  • Oldtimer,
  • Yachten,
  • Segelflugzeuge sowie
  • sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände,

wenn der Handel mit diesen Gegenständen, deren Herstellung oder Verarbeitung oder die entgeltliche Nutzungsüberlassung an Dritte nicht der Hauptzweck des übertragenden Betriebes ist.

Das Verwaltungsvermögen geht mit dem gemeinen Wert in die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer ein. Uneingeschränkt gilt dies für das sogenannte „junge Verwaltungsvermögen“ (Ausnahme: junges Verwaltungsvermögen, das der Absicherung von Altersvorsorgeverpflichtungen dient) sowie die „jungen Finanzmittel“. Als „jung“ wird das Vermögen beurteilt, das dem Betrieb zum Zeitpunkt der Besteuerung weniger als zwei Jahre zuzurechnen war.  Wie das Vermögen erworben wurde, ob durch Herstellung, Anschaffung aus betrieblichen Mitteln oder Einlage, ist dabei völlig unerheblich.

Die Berechnung des steuerpflichtigen Verwaltungsvermögens wird im koordinierten Ländererlass ausführlich dargestellt. Sie vollzieht sich in mehreren Schritten, die wir im Folgenden anhand eines einfachen Beispiels erläutern möchten. Auf Besonderheiten, wie z. B. die Beurteilung von Vermögensgegenständen als Verwaltungsvermögen im Einzelnen, die Begünstigung von Vermögen, das der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen dient, oder die Berechnungsregeln für Konzernunternehmen, soll hierbei aus Vereinfachungsgründen verzichtet werden.

1. Ausgangsgrößen

Ausgangsgrößen sind die vom Finanzamt festgestellten Werte für das Verwaltungsvermögen, das junge Verwaltungsvermögen, die Finanzmittel, die jungen Finanzmittel, die Schulden und das Betriebsvermögen (oder des Anteils am Betriebsvermögen). Folgende Beispielswerte sollen als Grundlage der weiteren Berechnungen dienen:        

Beispiel

Festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens (einschließlich jungen Verwaltungsvermögens) 2.000.000 €
Festgestellter Wert des jungen Verwaltungsvermögens 200.000 € 
Festgestellter Wert der Finanzmittel (einschließlich junger Finanzmittel) 800.000 € 
Festgestellter Wert der jungen Finnazmittel 150.000 € 
Festgestellter Wert der Schulden 800.000 € 
Festgestellter Wert des Betriebsvermögens 6.000.000 € 

2. Verwaltungsvermögensquote

In einem ersten Schritt werden zwei unterschiedliche Verwaltungsvermögensquoten errechnet:

Die 90 %-Verwaltungsvermögensquote (90 %‑Test) und die 20 %-Verwaltungsvermögensquote (20 %-Test). Der 90 %-Test dient der Beurteilung, ob überhaupt irgendeine Verschonungsregelung zum Tragen kommt. Nur wenn der 90 %-Test bestanden ist, kommt der 20 %-Test zur Anwendung, nach dem beurteilt wird, ob statt der Regelverschonung die Optionsverschonung beantragt werden kann. Problematisch ist, dass beide Quoten auf unterschiedliche Art berechnet werden und es so theoretisch dazu kommen kann, dass die 20 %‑Quote erreicht wird, die 90 %-Quote aber nicht.

90 %-Test

Für die Berechnung der 90 %-Quote werden das festgestellte Verwaltungsvermögen und die festgestellten Finanzmittel ohne Kürzungen dem festgestellten Betriebsvermögen gegenübergestellt:

Beispiel

  Festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens 2.000.000 €
+ Festgestellter Wert der Finanzmittel 800.000 €
= Verwaltungsvermögen für den 90%-Test 2.800.000 €
/ Festgestellter Wert des Betriebsvermögens 6.000.000 €
= Verwaltungsvermögensquote 46,67 %

20%-Test

Bei der Berechnung der 20 %-Quote werden die Finanzmittel um die Schulden gekürzt. Verbleibt ein positiver Betrag, wird dieser wiederum um 15 % des Wertes des Betriebsvermögens vermindert. Das übrige Verwaltungsvermögen wird addiert und die Summe zum Wert des Betriebsvermögens ins Verhältnis gesetzt.

Beispiel

  Festgestellter Wert der Finanzmittel 800.000 €
- Festgestellter Wert der Schulden 800.000 €
- Abschlag 15 % Betriebsvermögen (entfällt) 0 €
+ Übriges Verwaltungsvermögen 2.000.000 €
= Verwaltungsvermögen für den 20 %-Test 2.000.000 €
/ Festgestellter Wert des Betriebsvermögens 6.000.000 €
= Verwaltungsvermögensquote 33,33 %

3. Finanzmitteltest

Nach Berechnung der Verwaltungsvermögensquoten zur Feststellung der Verschonungsmöglichkeiten wird im zweiten Schritt der steuerpflichtige Wert des Verwaltungsvermögens berechnet.

Zuerst wird der sogenannte Finanzmitteltest durchgeführt: Die festgestellten Finanzmittel werden um die jungen Finanzmittel gekürzt und der Saldo um den Wert der festgestellten Schulden vermindert.

Ergibt sich aus der Verrechnung ein positiver Saldo, so wird dieser in Höhe von 15 % des festgestellten Wertes des Betriebsvermögens  gekürzt. Der danach mindestens in Höhe von 0 € verbleibende Wert der Finanzmittel zählt zur Bemessungsgrundlage für das steuerpflichtige, nicht begünstigte Verwaltungsvermögen. Auch die jungen Finanzmittel zählen zum nicht begünstigten Verwaltungsvermögen.

Beispiel

  Festgestellter Wert der Finanzmittel 800.000 €
- Festgestellter Wert der jungen Finanzmittel 150.000 €
- Festgestellter Wert der Schulden 800.000 €
- Sockelbetrag (15 % des festgestellten Werts des Betriebsvermögens) 900.000 €
= Verbleibender Wert der Finanzmittel (mindestens 0 €) 0 €

4. Nettowert des Verwaltungsvermögens

Der Nettowert des Verwaltungsvermögens berechnet sich als Summe des nach dem Finanzmitteltest verbliebenen Wertes der Finanzmittel und dem festgestellten Wert des Verwaltungsvermögens abzüglich des Wertes des jungen Verwaltungsvermögens und abzüglich einer quotalen Berücksichtigung der noch nicht verrechneten  Schulden.

Beispiel

  Festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens 2.000.000 €
- Festgestellter Wert des jungen Verwaltungsvermögens 200.000 €
+ Verbleibender Wert der Finanzmittel 0 €
= Saldo Verwaltungsvermögen 1.800.000 €
  Festgestellter Wert der Schulden 800.000 €
- Wert der im Finanzmitteltest verrechneten Schulden 650.000 €
= Verbleibende Schulden 150.000 €
  Davon anteilig verrechenbar: 43.902€
  Saldo Verwaltungsvermögen 1.800.000 €
- Anteilig verbleibende Schulden 43.902 €
= Nettowert des Verwaltungsvermögens 1.756.098 €

5. Kürzung um das unschädliche Verwaltungsvermögen

Der so ermittelte Nettowert des Verwaltungsvermögens wird in Höhe von 10 % des Nettowertes des Betriebsvermögens gekürzt.

Beispiel

  Festgestellter Wert des Betriebsvermögens 6.000.000 €
- Nettowert des Verwaltungsvermögens 1.756.098 €
- Festgestellter Wert des jungen Verwaltungsvermögens 200.000 €
- Festgestellter Wert der jungen Finanzmittel 150.000 €
= Bemessungsgrundlage für das unschädliche Verwaltungsvermögen 3.893.902 €
  Nettowert des Verwaltungsvermögens 1.756.098 €
- 10% der Bemessungsgrundlage für das unschädliche Verwaltungsvermögen 389.390 €
= Gekürzter Nettowert des Verwaltungsvermögens 1.366.708 €

6. Steuerpflichtiger Wert des Verwaltungsvermögens

Der gekürzte Nettowert des Verwaltungsvermögens ergibt zusammen mit den festgestellten Werten des jungen Verwaltungsvermögens und des jungen Finanzmittelbestandes den steuerpflichtigen Wert des Verwaltungsvermögens.

  Gekürzter Nettowert des Verwaltungsvermögens 1.366.708 €
+ Festgestellter Wert des jungen Verwaltungsvermögens 200.000 €
+ Festgestellter Wert der jungen Finanzmittel 150.000 €
= Steuerpflichtiger Wert des Verwaltungsvermögens 1.716.708 €

In unserem Beispiel beträgt das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen insgesamt also EUR 1.716.708. Begünstigt ist demnach der festgestellte Wert des Betriebsvermögens (EUR 6.000.000) nach Abzug des nicht begünstigten Verwaltungsvermögens (EUR 1.716.708), also insgesamt EUR 4.283.292. Da die 90 %-Quote erfüllt ist, kann die Regelverschonung in Höhe von 86 % gewährt werden. Die Optionsverschonung in Höhe von 100 % kann nicht angewendet werden, da die 20 %-Quote nicht greift.

Besonderheit: Investitionsklausel

In Erbfällen sieht das neue Erbschaftsteuerrecht eine für die Planung der
Unternehmensnachfolge interessante Klausel vor, die es ermöglicht, Vermögen, das nach seiner schematischen Abgrenzung grundsätzlich dem Verwaltungsvermögen zugeordnet werden müsste, rückwirkend wieder aus dem Verwaltungsvermögen herauszurechnen.

Folgende Voraussetzungen müssen gegeben sein:

  1. Erwerb von Todes wegen
  2. Investition von erworbenem nicht begünstigten Verwaltungsvermögen in Vermögen, das kein Verwaltungsvermögen ist
  3. Vorgefasster Plan des Erblassers
  4. Investition darf nicht zu neuem Verwaltungsvermögen führen
  5. Investition muss innerhalb von 2 Jahren nach dem Besteuerungszeitpunkt erfolgen

Die Anforderungen an den Plan des Erblassers werden im koordinierten Ländererlass in Abschnitt 13b.24 Abs. 3 wie folgt konkretisiert:

„Der Plan des Erblassers muss so konkret sein, dass dieser und die entsprechend vom Erwerber umgesetzte Investition nachvollzogen werden kann. Der Plan muss die zu erwerbenden oder herzustellenden Gegenstände beinhalten. Das zum Besteuerungszeitpunkt vorhandene Verwaltungsvermögen ist für die Investition zu verwenden, ohne dass der Erblasser vorgegeben haben muss, welche Gegenstände des Verwaltungsvermögens zur Finanzierung zu verwenden sind. Unschädlich ist eine zusätzliche Finanzierung der Investition aus dem Privatvermögen. …“

Das eingesetzte Privatvermögen wird hierbei jedoch nicht rückwirkend zu begünstigtem Vermögen umqualifiziert. Lediglich das eingesetzte Verwaltungsvermögen wird rückwirkend begünstigtes Vermögen.

Fazit

Der Ermittlung des Wertes des Verwaltungsvermögens kommt nach dem neuen Erbschaftsteuerrecht gerade für die langfristige Planung der Unternehmensnachfolge eine erhebliche Bedeutung zu. Denn je nach Zusammensetzung des Betriebsvermögens kann es zu sehr unterschiedlichen schenkung- und erbschaftsteuerlichen Ergebnissen kommen. So sollten im Rahmen der Planung der Unternehmensnachfolge auch Gestaltungsmöglichkeiten zu den Verwaltungsvermögensquoten, zum Bestand und zur Verwendung von jungem Verwaltungsvermögen und jungen Finanzmitteln einbezogen werden. So könnten beispielsweise im Schenkungsfall vor der Übertragung Finanzmittel aus dem Betriebsvermögen herausgelöst werden, um die Verwaltungsvermögensquote unter die 90 %-Quote zu senken. Auch ein Forderungsverkauf mit anschließender Entnahme  der Barmittel aus dem Betriebsvermögen kann hierfür ein zusätzliches geeignetes Gestaltungsmittel sein.

Für die Planung des Erbfalls sollten außerdem  Überlegungen zur Verwendung von Verwaltungsvermögen für künftige Investitionen angestellt und dokumentiert werden, um die Investitionsklausel zur rückwirkenden Umwidmung von Verwaltungsvermögen zu Betriebsvermögen zu ermöglichen.

Gabriele Heck, StBin, und Hendrik Stoeber, StB, UHY Deutschland AG, Köln