Rechnungslegung im Rahmen der Liquidation

I. Was bedeutet „Liquidation“?

Die Liquidation einer Gesellschaft ist nicht gleichbedeutend mit einer Insolvenz. Vielmehr handelt es sich um die im Allgemeinen bewusst durch die Gesellschafter getroffene Entscheidung zur Auflösung der Gesellschaft und der anschließenden Abwicklung bis zu ihrer Vollbeendigung und Löschung. Diese Maßnahmen umfassen etwa die Beendigung der laufenden Geschäfte mit dem Ziel, nach erfolgter Veräußerung und nach Erfüllung aller Verbindlichkeiten das dann noch verbleibende Vermögen regelmäßig in Form von Geld an die Gesellschafter zu verteilen.

Aus rechtlicher Sicht ist bei der Liquidation von Kapitalgesellschaften bzw. bei Personengesellschaften mit beschränkter Haftung zu beachten:

  • Die Auflösung der Gesellschaft muss zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Zugleich sind die von der Gesellschafterversammlung bestellten Liquidatoren - regelmäßig handelt es sich um die bisherigen Geschäftsführer - zur Eintragung anzumelden.
  • Die Aufgabe der Liquidatoren bzw. Abwickler besteht darin, die laufenden Geschäfte zu beenden und die Verpflichtungen der Gesellschaft zu erfüllen. Es dürfen alle der Liquidation dienenden Geschäfte durchgeführt und auch Neuverträge abgeschlossen werden.
  • Handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, muss die Auflösung in den Gesellschaftsblättern (in der Regel im Bundesanzeiger) bekannt gemacht werden. Zugleich sind die Gläubiger aufzufordern, sich bei der Gesellschaft zu melden, um eventuelle Ansprüche geltend zu machen. Das verbliebene Vermögen darf aber in diesen Fällen erst verteilt und die Liquidation abgeschlossen werden, wenn nach dem Aufruf ein Jahr (das sogenannte Sperrjahr) vergangen ist.
  • Das verbleibende Vermögen ist an die Gesellschafter zu verteilen, und es ist Schlussrechnung zu legen.
  • Ist die Liquidation im vorstehenden Sinne beendet, haben die Liquidatoren das Erlöschen der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Das Registergericht prüft von Amts wegen, ob die Liquidation ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Es kann u. a. das Finanzamt um Mitteilung bitten, ob alle zur steuerlichen Veranlagung erforderlichen Maßnahmen abgeschlossen sind. Erst wenn dies erfolgt ist, wird die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht.

II. Rechnungslegung in der Liquidation

Die Pflichten zur Buchführung, Inventaraufstellung und Rechnungslegung bleiben während der Liquidation im Grundsatz unverändert bestehen. Dies beinhaltet im Einzelnen:

  • die Aufstellung der Schlussbilanz bis zum Tag vor dem Auflösungsstichtag,
  • die Aufstellung der Liquidationseröffnungsbilanz auf den Beginn der Liquidation, ggf. inkl. eines erläuternden Berichts,
  • die Aufstellung eines Jahresabschlusses für den Schluss eines jeden Geschäfts- bzw. Liquidationsjahres ab Beginn der Liquidation,
  • die Aufstellung der Liquidationsschlussbilanz zum Ende der Liquidation vor der Vermögensverteilung sowie
  • die Erstellung der Schlussrechnung nach der Vermögensverteilung.

1. Die Schlussbilanz

Die Gesellschaft hat eine handelsrechtliche Schlussbilanz aufzustellen. Die Schlussbilanz hat - als letzter Jahresabschluss der werbenden Gesellschaft - eine Gewinn- und Verlustrechnung und den Anhang (ggf. ergänzt um einen Lagebericht) zu enthalten.

Die Schlussbilanz ist auf den Tag vor der Auflösung aufzustellen. Wird die Gesellschaft daher während des Geschäftsjahres aufgelöst, ist ein Rumpfgeschäftsjahr zu bilden, das am Ende des Tages vor der Auflösung endet. Wegen dieser Erfordernisse und der damit verbundenen zusätzlichen Kosten ist es auch möglich, die Auflösung der Gesellschaft zu einem anderen Stichtag, und zwar auf das Ende des Geschäftsjahres zu beschließen. Auf diese Weise kann vermieden werden, dass ein neues Rumpfgeschäftsjahr und ein abweichendes, späteres Geschäftsjahr gebildet werden muss. Es ist allerdings nicht möglich, eine rückwirkende Auflösung zu beschließen.

Die für die Aufstellung der Schlussbilanz zu beachtenden Bewertungsgrundsätze folgen den allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen. Daraus folgt, dass die Schlussbilanz mit dem Jahresabschluss der werbenden Gesellschaft übereinstimmen kann (wenn die Auflösung auf das Ende des Geschäftsjahres beschlossen wird). Weist die Schlussbilanz für die Zeit bis zur Auflösung einen Gewinn aus, so kann dieser auch noch nach dem Eintritt der Liquidation an die Gesellschafter verteilt werden.

Zu beachten ist schließlich, dass die Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft denselben gesetzlichen Bestimmungen über die Prüfung und die Publizität unterliegt wie alle anderen Bilanzen der werbenden Gesellschaft.

2. Die Liquidationseröffnungsbilanz

Die Liquidatoren sind verpflichtet, eine Liquidationseröffnungsbilanz aufzustellen. Die Aufstellung hat auf den Tag der Auflösung der Gesellschaft zu erfolgen. Sie ist damit immer Stichtagsbilanz. Nötigenfalls haben die Gesellschafter im Auflösungsbeschluss einen abweichenden Zeitpunkt festzulegen, der in der Zukunft liegen kann; eine rückwirkende Auflösung ist allerdings ausgeschlossen.

Die Liquidationseröffnungsbilanz ist innerhalb von drei Monaten nach der Auflösung aufzustellen. Auch für die Liquidationseröffnungsbilanz gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Prüfung und die Publizität.

Die Liquidationseröffnungsbilanz dient nicht der Ermittlung des Geschäftsergebnisses für die Zeit bis zur Auflösung, sondern soll den Status der Gesellschaft bei Beginn der Liquidation darstellen. Die Aufstellung folgt der going-concern-Prämisse, es sei denn, es gibt tatsächliche, wirtschaftliche oder rechtliche Gegebenheiten, die dagegen stehen. Es gelten die allgemeinen handelsrechtlichen Ansatzvorschriften entsprechend. Folgende Besonderheiten sind zu beachten:

  • Das Anlagevermögen ist wie Umlaufvermögen zu bewerten, sofern in einem übersehbaren Zeitraum eine Veräußerung beabsichtigt ist oder diese nicht mehr dem Geschäftsbetrieb dient.
  • Eigene Geschäftsanteile sind nur zu aktivieren, sofern mit einer Veräußerung noch gerechnet werden kann und eine verlässliche Bewertung möglich ist.
  • Eine Aktivierung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Gesellschafter kommt nur in Betracht, wenn diese auch realisiert werden können.
  • Der in § 249 HGB ausgewiesene Katalog von Rückstellungen ist verbindlich. Abfindungsverpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern, künftige Abwicklungskosten und schwebende Geschäfte können nur nach Maßgabe des § 249 HGB passiviert werden.

Auch in der Liquidationseröffnungsbilanz dürfen die Vermögensgegenstände der Gesellschaft höchstens mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten angesetzt werden. Noch nicht realisierte Gewinne dürfen nicht, Verluste müssen bereits vor ihrer Realisierung ausgewiesen werden. Stille Reserven können nur dann bilanzwirksam aufgelöst werden, wenn sie tatsächlich in Anspruch genommen werden.

Zusätzlich ist ein Erläuterungsbericht zu erstellen. Für diesen Bericht gelten die allgemeinen Regelungen für den Anhang entsprechend. In ihm sind die Bewertungsmethoden und Änderungen zu erläutern, die die Liquidationseröffnungsbilanz von der Schlussbilanz der werbenden Gesellschaft unterscheiden.

3. Der Jahresabschluss

Auch für die in Liquidation befindliche Gesellschaft besteht die Verpflichtung zur periodischen Rechnungslegung. Zu beachten ist allerdings, dass das Geschäftsjahr der werbenden Gesellschaft für den Jahresabschluss nicht maßgeblich ist. Denn das erste Geschäftsjahr beginnt am Tag der Auflösung. Die Gesellschafter können aber - formlos - einen anderen Stichtag festsetzen, was regelmäßig in der Form erfolgt, dass das erste Geschäftsjahr bei einer unterjährigen Auflösung als Rumpfgeschäftsjahr ausgestaltet wird und die nachfolgenden Jahresabschlüsse jeweils auf das Ende des Kalenderjahres (bzw. des abweichenden Geschäftsjahres der vormals werbenden Gesellschaft) aufgestellt werden. Diese Beschlussfassung kann formlos erfolgen, da das Geschäftsjahr für die Gewinnverteilung ohne Bedeutung ist. Denn ein möglicher Gewinn darf vor Abschluss der Liquidation nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet werden.

Beispiel für die Bildung der Geschäftsjahre (Quelle: Bundesanzeiger)

Auflösung zum 23. August 2015. Ursprünglich   satzungsgemäßes Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr (1. Januar bis   31. Dezember)

Einreichungen/

Stichtage:

Gesetzliche  

Regelung:

Rückkehr zum   ursprünglich satzungsgemäßen Geschäftsjahr (formloser Gesellschafterbeschluss):

Neues   Geschäftsjahr (lt. Gesellschafterbeschluss) zum 30. September:

Letzter   Jahresabschluss der werbenden Gesellschaft

  1. Januar   2015 bis 22. August 2015

Liquidationseröffnungsbilanz

  1. August   2015 bis 23. August 2015

Erster   Jahresabschluss in Liquidation

23. August   2015 bis 22. August 2016

23. August   2015 bis 31. Dezember 2015

23. August   2015 bis 30. September 2015

Fortlaufender   Jahresabschluss

23. August   2016 bis 22. August 2017

1. Januar   2016 bis 31. Dezember 2016

1. Oktober   2015 bis 30. September 2016

Für die Gewinn- und Verlustrechnung, den Ansatz, den Ausweis und die Bewertung der Bilanzposten gelten die allgemeinen Auf- und Feststellungsfristen sowie die allgemeinen Prüfungs- und Publizitätspflichten.

4. Liquidationsschlussbilanz

Die Aufstellung einer Liquidationsschlussbilanz schreibt das Gesetz für Kapitalgesellschaften nicht ausdrücklich vor; es entspricht aber der allgemeinen Auffassung, dass eine solche Bilanz aufzustellen ist. Die Liquidationsschlussbilanz stellt im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation den Geschäftsgang seit Aufstellung des Jahresabschlusses dar und bildet die Höhe des zu verteilenden Vermögens ab und ist aufzustellen, wenn keine nennenswerten Geschäftsvorfälle mehr zu erwarten sind und (bei Kapitalgesellschaften) das Sperrjahr verstrichen ist. Auch sie muss den allgemeinen handelsrechtlichen Bestimmungen einschließlich den allgemeinen Prüfungs- und Publizitätspflichten entsprechen.

In der Liquidationsschlussbilanz sind - da nunmehr eine Unternehmensfortführung ausgeschlossen ist - die vorhandenen Vermögensgegenstände vollständig und in einer für die Vermögensverteilung zweckmäßigen Reihenfolge anzusetzen und jeweils zum Zeitwert zu bewerten.

5. Schlussrechnungslegung

Zwingend erforderlich ist in jedem Fall die Legung der Schlussrechnung, sie ist zwingende Voraussetzung für die Anmeldung des Schlusses der Liquidation zum Handelsregister. Anders als die Liquidationseröffnungsbilanz, die Jahresabschlüsse und die Liquidationsschlussbilanz handelt es sich bei ihr nicht um eine externe Rechnungslegung der in Liquidation befindlichen Gesellschaft, sondern stellt die interne Rechnungslegung gegenüber dem Gesellschafter dar, mit der die Liquidatoren Rechenschaft über ihre im Rahmen der Liquidation entfaltete Tätigkeit ablegen. Sie ist daher Voraussetzung für die den Liquidatoren von den Gesellschaftern zu erteilende Entlastung.

Die Schlussrechnung ist nach Abschluss der Liquidation zu erstellen, weshalb zu diesem Zeitpunkt die Vermögensverteilung bereits erfolgt und dokumentiert zu sein hat. Konsequent enthält sie auch keinen Vorschlag für die Vermögensverteilung. Die Schlussrechnung ist zweckmäßigerweise als Einnahmen-/Ausgaben-Rechnung zu gestalten.

6. Aufbewahrungspflichten nach Vollbeendigung der Gesellschaft

Die Geschäftsunterlagen der Gesellschaft sind auch nach Abschluss der Liquidation weiterhin aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist beträgt einheitlich zehn Jahre. Für die Erfüllung der Pflicht zur Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen ist der Liquidator verantwortlich.