Erbschaftsteuer: Privilegierung des Betriebsvermögens verfassungswidrig

Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht (BverfG) verkündet, dass die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen in den §§ 13a und 13b sowie § 19 Abs. 1 ErbStG verfassungswidrig sind und in Teilen gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen (Az. 1 BvL 21/12). Betroffen sind die erbschaftsteuerliche Ungleichbehandlung von Betriebsvermögen im Verhältnis zu nichtbetrieblichem Vermögen einerseits sowie die unterschiedliche Privilegierung verschiedener Betriebsvermögen andererseits. Die Verfassungswidrigkeit gilt für die Ursprungsverfassung des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. De-zember 2008 und alle Folgefassungen von Beginn an.

Gegenwärtig können Erben von Betriebsvermögen bezogen auf dieses erbschaftsteuerlich frei bleiben, wenn bestimmte gesetzlich geregelte Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu gehört insbesondere, dass der geerbte Betrieb innerhalb einer Frist von fünf bzw. sieben Jahren nicht veräußert oder liquidiert werden darf (Behaltensfrist), ein zum Zeitpunkt der Erbschaft festzustellendes Lohn- und Gehaltsniveau bezogen auf den Gesamtbetrieb in den folgenden fünf bzw. sieben Jahren insgesamt durchschnittlich nur geringfügig unterschritten werden darf (Lohnsummenregelung) und der nicht dem Produktivvermögen zuzuordnende Teil des Betriebsvermögens (Verwaltungsvermögen) nur bis zu 50 % des Gesamtbetriebsvermögens ausmachen darf. Werden diese Kriterien eingehalten, bleiben Erbschaften von Betriebsvermögen derzeit zu 85 % bzw. gar 100 % erbschaftsteuerfrei.

Grundsätzlich erklärt das BVerfG Verschonungsregeln zwar als mit dem GG vereinbar. Es hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass es unterschiedliche Behandlungen geben dürfe, dass aber die Art und Weise der Privilegierung mit den Zwecken, die durch die Privilegierung erreicht werden sollen, in einem ausgewogenen Verhältnis stehen sollen. Dabei bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Zweifel daran, dass der Gesetzgeber insbesondere das produktive Vermögen von Unternehmen steuerlich begünstigen darf, die durch einen besonderen personalen Bezug des Erblassers oder des Erben zum Unternehmen geprägt sind (Familienunternehmen), um deren Bestand und den der mit dem Unternehmen verbundenen Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Eine solche Gefährdung entsteht gerade durch die erbschaftsteuerliche Belastung des Erben und dem damit verbundenen Liquiditätsbedarf, der ggf. eine Veräußerung oder zumindest Teilveräußerung des Unternehmens erfordert.

Bezogen auf die geltenden Regelungen betrachtete das Gericht die Privilegierung betrieblichen Vermögens jedoch als unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgeht, ohne eine „Bedürfnisprüfung“ vorzusehen. Die Ungleichbehandlung kann nämlich hier wegen der Höhe der steuerbefreiten Beträge ein Maß erreichen, das ohne die konkrete Feststellung der Verschonungsbedürftigkeit des erworbenen Unternehmens mit einer gleichheitsgerechten Besteuerung nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Als größere Unternehmen könnten entsprechend der europäischen KMU-Regelung solche mit mehr als 250 Arbeitnehmern und einem Jahresumsatz von mehr als Mio. EUR 90 oder einer Bilanzsumme von mehr als Mio. EUR 43 gelten. Detailliert hat sich das Gericht zu der Bedürfnisprüfung allerdings nicht geäußert. Für kleine und mittlere Unternehmen sind die geltenden Verschonungsregeln demnach weiter anwendbar, während seitens des Gesetzgebers der Übergang großer Unternehmensvermögen der Korrektur bedarf.

Die Lohnsummenregelung findet gegenwärtig keine Anwendung auf Betriebe mit nicht mehr als 20 Beschäftigten. Auch dies hat das BVerfG beanstandet, da es hierin eine unverhältnismäßige Privilegierung – und damit einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des GG - solcher Betriebe gegenüber Betrieben mit 20 oder mehr Beschäftigten sieht. Der Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen ist ja gerade ein zentrales Ziel der Steuerverschonung bei der Erbschaftsteuer. Dazu wird ausgeführt, dass ca. 90 % aller Betriebe in Deutschland mit nicht mehr als 20 Beschäftigten arbeiten und damit bezogen auf die Lohnsummenregelung die erbschaftsteuerliche Begünstigung beinahe ausnahmslos ohne weiteren Focus auf den angestrebten Erhalt von Arbeitsplätzen gewährt wird. Sollte der Gesetzgeber weiterhin an dieser Form des Verschonungskonzepts festhalten, wird er die Freistellung von der Lohnsummenregelung auf Betriebe mit nur einigen wenigen Arbeitnehmern begrenzen müssen.

Schließlich wurde vom BVerfG die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 % für verfassungswidrig erklärt. Problematisch ist dies, da auch Unternehmen mit einem erheblichen Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 % in den Genuss der vollen Freistellung von der Erbschaftsteuer gelangen können, obwohl prinzipiell nur die Freistellung produktiven Vermögens angestrebt ist. Die Ziele des Gesetzgebers, nur produktives Vermögen zu fördern und missbräuchliche Gestaltungen zu Steuerumgehungszwecken zu unterbinden, sind zwar rechtmäßig. Dies findet seine Grenzen jedoch dort, wo auch ein Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 % in den Genuss der vollen steuerlichen Privilegierung gelangt. Wo der maximale Anteil von Verwaltungsvermögen liegen darf, hat das BVerfG nicht ausgeführt.

Die gegenwärtig noch geltenden und beanstandeten Normen sind zunächst weiter anwendbar; der Gesetzgeber ist jedoch verpflichtet, bis spätestens zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu treffen. Diese kann er rückwirkend auf den Tag des BVerfG-Urteils, den 17. Dezem-ber 2014, beschließen. Ein Vertrauensschutz für Fälle ab diesem Datum ist mithin möglicherweise nicht mehr gegeben.