Jahressteuergesetz (JStG) 2016 vom Bundestag beschlossen
Der Bundestag hat am 24. September 2015 mit einigen weiteren Ergänzungen und Neuregelungen gegenüber dem ursprünglichen Gesetzesentwurf das Jahressteuergesetz 2016 (vormals "Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“, kurz: ZollkodexAnpG) beschlossen. Mit dem Beschluss sollen umfangreiche Änderungen des Steuerrechts vorgenommen werden. Am 16. Oktober 2015 wird der Bundesrat über das Gesetz abstimmen. Die Änderungen sollen grundsätzlich einen Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Sofern Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer betroffen sind, sollen die Änderungen erst ab dem Veranlagungszeitraum 2016 gelten. In Einzelfällen sind Abweichungen möglich.
Einige wichtige Änderungen in der Übersicht:
Einkommensteuer
- Unterhaltsleistungen können künftig nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn die ID-Nummer des Unterhaltsempfängers angegeben wird (§ 10 Abs. 1a EStG). Ziel ist es, die Versteuerung des Unterhaltsempfängers sicherzustellen.
- Für die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG war bisher eine Benennung der Funktion der geplanten Investition erforderlich. Diese Funktionsbenennung und auch der Nachweis für eine Investitionsabsicht sollen entfallen. Hinzu kommt jedoch eine Übermittlung der Summen der Abzugs- bzw. der Hinzurechnungsbeträge durch Datenfernübertragung.
- Gewinne aus bestimmten Grundstücksveräußerungen können nach § 6b EStG unter bestimmten Voraussetzungen als steuerfreie Rücklage für Reinvestitionen zur Verfügung stehen, sofern das veräußerte Wirtschaftsgut und die geplante Neuanschaffung zu einer inländischen Betriebsstätte gehören. Künftig sind auch steuerliche Erleichterungen für Investitionen im EU-/ EWR-Raum vorgesehen. Es wird dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt, den Veräußerungsgewinn sofort zu versteuern oder die Zahlung der auf den Gewinn entfallenden Steuer auf Antrag über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren zu verteilen (§ 6b Abs. 2a EStG-E).
- Steuerabzug bei Kapitalerträgen: Im Jahr 2012 hatte der BFH zugunsten eines Bankkunden und zuungunsten der Finanzverwaltung entschieden (BFH, Urteil vom 12. Dezember 2012, I R 27/12), dass ein Kreditinstitut bei einem Widerspruch eines Kunden, der sich auf den Wortlaut und Zweck des EStG stützt, vom Steuerabzug Abstand nehmen muss, selbst wenn ein BMF-Schreiben etwas Gegenteiliges anordnet. Im Jahressteuergesetz (JStG) 2016 wird künftig die gesetzliche Regelung aufgenommen, dass ein Steuerabzug „unter Beachtung der im Besteuerungsblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung“ zu erfolgen hat. Damit wird gesetzlich vorgeschrieben, dass ein Kreditinstitut beim Steuerabzug die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung anwenden muss.
- Im Zusammenhang mit einer Anpassung im Aktiengesetz (AktG) wird zukünftig auch im EStG die Fälligkeit des Anspruchs auf Dividendenzahlung frühestens am dritten Geschäftstag, der auf den Hauptversammlungsbeschluss über die Gewinnverwendung folgt, angenommen, sofern keine andere Bestimmung über den Auszahlungstag im Gewinnausschüttungsbeschluss getroffen wurde. Da bisher für die Fälligkeit der Kapitalertragsteuer maßgeblich der Folgetag nach der Beschlussfassung als Zufluss der Ausschüttung war, wird damit vermieden, dass die Besteuerung der Dividenden vor Fälligkeit der Auszahlung erfolgt.
- Das Teileinkünfteverfahren, das Einnahmen aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften steuerlich behandelt, soll für Gewinnanteile aus Unterstützungskassen ausgeschlossen werden. Das bedeutet, dass diese Erträge aus der o. g. Beteiligungsart nicht mehr nur zu 60 % der Einkommensteuer unterliegen.
Körperschaftsteuer
- Verlustabzug bei Körperschaften durch Erweiterung der Konzernklausel: Verlustvorträge bei konzerninternen Umstrukturierungen (§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG) waren bisher nur bedingt möglich. Bis ins Jahr 2010 wurde gemäß § 8c KStG ein Untergang bestehender Verlustvorträge einer Kapitalgesellschaft vorgesehen, wenn ein sog. schädlicher Beteiligungserwerb stattgefunden hat. Diese Regelung wurde mit der Einführung der Konzernklausel im Jahr 2010 dahingehend entschärft, dass der Erwerb innerhalb eines Konzerns nicht unter den schädlichen Beteiligungserwerb fällt, wenn an der Konzernspitze entweder eine natürliche oder eine juristische Person steht. Diese Konzernklausel wird nun ausgedehnt und sieht künftig auch Personenhandelsgesellschaften als Holdinggesellschaft (z. B. in der Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG) an der Konzernspitze vor, ohne dass der Anspruch des Verlustvortrages untergeht. Diese Neuregelung soll nach Inkrafttreten rückwirkend ab dem 1. Januar 2010 gelten.
- Weitere Rechtsänderungen innerhalb des Körperschaftsteuerrechts betreffen Regelungen für Unterstützungskassen.
Umsatzsteuer
- Als Entstehungszeitpunkt der Umsatzsteuer bei unrichtigem Steuerausweis i. S. d. § 14c
Abs. 1 UStG soll künftig nur noch auf den Zeitpunkt der Ausgabe der Rechnung abzustellen sein. Der Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Steuer entsteht, ist nicht mehr maßgebend
(§ 13 Abs. 1 UStG). - Die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen im Zusammenhang mit Grundstücken wird um Lieferungen und Leistungen im Zusammenhang mit Betriebsvorrichtungen erweitert (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG-E). Hierdurch wird die Problematik der praktischen Abgrenzung zwischen Bauwerken und Betriebsvorrichtungen, also Gegenstände, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert werden, behoben.
- Weitere Rechtsänderungen innerhalb des Umsatzsteuergesetzes betreffen Regelungen für juristische Personen des öffentlichen Rechts. Unter anderem die Einfügung eines neuen § 2b UStG (Wegfall des § 2 Abs. 3 UStG), der künftig die Unternehmereigenschaften von juristischen Personen des öffentlichen Rechts regeln soll.
Erbschaftsteuer
- Die Anzeigepflicht des Erwerbs von Todes wegen wird künftig um die Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer ergänzt (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 ErbStG-E).
- Steuerbefreiung für Zuwendungen an ausländische Religionsgesellschaften oder Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen, waren bisher nur steuerfrei, wenn der ausländische Staat für Zuwendungen an deutsche o. g. Rechtsträger ebenfalls Steuerbefreiungen gewährt. Diese Gegenseitigkeitsbedingung wird jetzt nicht mehr aufrechterhalten, da sie gegen den im EU-Recht vereinbarten freien Kapitalverkehr verstößt. Hier wird jetzt ein fiktiver Inlandsvergleich vorgenommen. Somit gelten für die Steuerbefreiung von Zuwendungen an in- und ausländische Zuwendungsempfänger dieselben Tatbestandsvoraussetzungen.
Abgabenordnung
- Die Wirtschaftsidentifikationsnummer (kurz: W-IdNr.) wird eingeführt. Die W-IdNr. ist ein eindeutiges und dauerhaftes Identifikationsmerkmal für Steuerzwecke bei wirtschaftlich Tätigen und wird die Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt-IdNr.) ersetzen. Ein Antrag auf Erteilung ist nicht notwendig, da die Bundeszentrale für Steuern die W-IdNr. automatisch vergeben wird. Die neue Identifikationsnummer ermöglicht den Finanzbehörden die genauere Trennung von wirtschaftlich tätigen Rechtssubjekten (Personenvereinigungen, juristische Personen, natürliche Personen, die wirtschaftlich tätig sind) und natürlichen Personen. Auch Freiberufler und Einzelkaufleute erhalten zusätzlich zu ihrer Steueridentifikationsnummer (IdNr.) die W-IdNr., um den privaten vom wirtschaftlichen Bereich klar zu separieren.
Sonstiges
- Für die Besteuerung des geldwerten Vorteils bei der privaten Nutzung eines betrieblichen Elektro- oder Hybridelektrofahrzeugs nach der Fahrtenbuchmethode wurde die Ermittlung des Entnahmewertes klargestellt. Hierbei sind die hinsichtlich der Absetzung für Abnutzung (AfA) zu ermittelnden Gesamtkosten um die darin enthaltenen Kosten für die Batteriesysteme zu mindern. Sofern die Batterie gemietet ist, wird die AfA-Grundlage nicht gemindert. Der Mietaufwand fällt jedoch nicht unter die in der Fahrtenbuchmethode anzusetzenden Gesamtkosten.
- Der ertragsteuerliche Inlandsbegriff soll im Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuerrecht neben der Energieerzeugung auch auf weitere wirtschaftliche Tätigkeiten, wie z. B. die gewerbliche Fischzucht, im Bereich des Festlandsockels ausgedehnt und damit für den deutschen Fiskus steuerlich nutzbar gemacht werden.
Weitere Rechtsänderungen wurden innerhalb des Bewertungsrechts, der Umwandlungssteuer und Grunderwerbsteuer vorgenommen.