Interview mit Herrn Claus Goyer

Claus Goyer, Geschäftsführer der SEDO Chemicals Neoprene GmbH

Herr Goyer, seit über 20 Jahren ist die SEDO Chemicals Neoprene GmbH am Standort Fürstenwalde/Spree tätig. Könnten Sie unseren Lesern Ihr Geschäft kurz vorstellen?

„Aber gern. Wir sind ein klassischer Produktionsbetrieb und befassen uns mit der Herstellung und dem Vertrieb eines Produktes, im Grunde eines Halbfertigmaterials, das von unseren Kunden zu den unterschiedlichsten Fertigerzeugnissen weiter verarbeitet wird. In unserem Haus entsteht vor allem Neopren, so der allgemein gebräuchliche Name für einen ganz speziellen Zellkautschuk (umgangssprachlich auch Zellgummi oder Zellschaum), dessen fachwissenschaftliche Bezeichnung CR lautet, abgeleitet von Chloroprene Rubber, einem Synthesekautschuk, der – neben anderen Zutaten - dem Produkt Neopren seine einzigartigen und prägenden Eigenschaften verleiht. Um nur einige davon zu nennen: sehr gutes Isolationsvermögen, Wasserundurchlässigkeit, Wetter- und Ozonbeständigkeit, Druck-, Zug- und Stoßelastizität, Reiß- und Abriebfestigkeit. Neopren ist umweltfreundlich und hautverträglich, besitzt eine – wie man heute sagt – angenehme Haptik, ist resistent gegen Seewasser, Öle, Fette und etliche Chemikalien und verfügt über eine hohe dynamische Belastbarkeit, es ist zudem leicht verarbeitbar. Diese besonderen Eigenschaften, und vor allem ihre jeweilige Kombination, machen Neopren zu einem unverwechselbaren und recht vielseitig einsetzbaren Produkt.

Je nach gewünschter Beschaffenheit fertigen wir Neoprentypen unterschiedlicher Härte, Dehnfähigkeit und Zelldichte oder solche mit weiteren Sondereigenschaften (z. B. Farbvarianten, zusätzlicher Ozon- oder Flammschutz). Die Grundstruktur ist dabei immer weitgehend identisch.“

Wie entsteht das Produkt?

 „Stellen Sie sich einfach eine Bäckerei und einen herkömmlichen Backprozess vor: Sie kennen die Zutaten und die Geheimnisse des Verarbeitungsprozesses, Sie haben ein Rezept, und neben erfahrenen und qualifizierten Mitarbeitern die passenden Maschinen – in diesem Fall Knetwerke, Walzen und Extrusionsanlagen – und schon ist der „Teig“ fertig: knapp zwanzig Kilogramm je Rohling. Weiter geht es in zwei Backstufen – der Vulkanisation – , bei der aus dem festen, kompakten Teigrohling in nur wenigen Minuten ein aus unzähligen kleinen Zellen bestehender Block in den Dimensionen eines Türblattes entsteht. Dieser Block wird dann, nach einer angemessenen Reife- und Ruhezeit, auf eigens dafür konstruierten Horizontalspaltmaschinen je nach Kundenwunsch und Anforderung in jeweils verschieden starke sheets gespalten. Ein präziser Schnitt sorgt für ein identisches Stärkemaß über die gesamte Fläche von nahezu drei Quadratmetern – keine einfache Aufgabe bei einem so sensiblen und relativ weichen Produkt wie Neopren. Schließlich, und auch darüber entscheidet der Kunde und der gewünschte Einsatzzweck, werden die einzelnen sheets mit mannigfaltigsten textilen Gewirken, Gestricken oder auch Geweben kaschiert – entweder einseitig oder beidseits. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, die Oberfläche des Neoprens durch Prägungen entsprechend zu strukturieren.“

Die SEDO fertigt nach eigenem Know-how das Material Neopren als einziger Hersteller in Europa an. Wie schätzen Sie den Markt und Ihre Marktposition ein?

„In der Tat sind wir der einzige Hersteller in Europa für dieses Produkt. Das hört sich zunächst sehr reizvoll und überaus interessant an, aber lassen sie mich das ein wenig näher ausführen.

Zur Neoprenherstellung bedarf es, wie bereits angeführt, neben eines spezifischen Rezept- und Fertigungs-Know-hows vor allem einiger Erfahrung im Beherrschen der Kautschukchemie und bei der Prozesssteuerung. Temperaturen, Luftfeuchtigkeit und Qualität der eingesetzten Rohstoffe spielen eine große Rolle - Hexerei ist aber auch hier nicht mit im Spiel.

Neopren ist, relativ betrachtet, ein Nischenprodukt, Produkte aus Neopren – zumal reiner und hochwertiger Qualitäten – fließen in einen begrenzten Markt, wenn Sie es etwa vergleichen mit dem Massenprodukt Autoreifen, einem herstellungstechnisch und strukturell verwandten Erzeugnis.

Der Herstellungsprozess von Neopren ist sehr material-, energie- und arbeitsaufwändig. Das verschafft Produzenten mit niedrigen Lohn- und teils auch Energiekosten einen enormen Vorteil. Deshalb haben sich vor allem Neoprenhersteller aus Asien, vornehmlich aus China/Taiwan, weltweit als Marktführer etabliert, wobei zudem die führenden asiatischen Wettbewerber aufgrund ihrer Fertigungstiefe (eigene Herstellung von Kaschiergewirken, Neopren, Fertigerzeugnissen) teilweise eine beherrschende Stellung eingenommen haben.

Unser Markt ist Europa. Hier schätzen wir unsere Position als sehr stark ein. Wir liefern in nahezu alle Länder unseres Kontinents. Etwa die Hälfte unseres Umsatzerlöses entstammt dem Exportgeschäft. Hervorhebenswerte Auslandsmärkte sind für uns Frankreich, Großbritannien, Spanien, Portugal, Belgien, die Niederlande, Skandinavien, Polen, Tschechien und Rumänien. Wir bedienen ausschließlich weiterverarbeitende Betriebe. Zu unserer Kundschaft zählen kleinere, viele mittlere und einige größere Produktionsunternehmen. Die meisten davon sind Konfektionsbetriebe, da unser Produkt vornehmlich in Gebrauchsgegenstände einfließt. Ansonsten bedienen wir Industriebetriebe, die unser Material für technische Anwendungen nutzen, etwa als Transportschutz, im Stanzformbau oder Dichtungsbereich.

Wir setzen uns in dem Maße überall dort erfolgreich gegen unsere Wettbewerber aus Asien durch, wo sich europäische Produzenten etablieren, ihre Standorte behaupten oder entwickeln und ausbauen und auf jene Vorteile schauen, die nur wir als europäischer Hersteller ihnen bieten können: hohe Qualität, anpassungsfähige Lösungen z. B. bei Produktenwicklungen oder spezifischen Anforderungen, kurze Lieferwege, Schnelligkeit und Flexibilität bei den Lieferungen, und schließlich einen exzellenten Service. Der Faktor Zeit spielt eine zunehmende Rolle in den Geschäftsbeziehungen, Endverbraucher und Einzelhandel drängen auf immer kürzere Durchlaufzeiten von der Bestellung bis zur Auslieferung. Gleichzeitig gilt es, die Lagerhaltungskosten im vertretbaren Rahmen zu halten. Die Umsetzung von Produkt-ideen ist an immer kürzere Zeiträume gebunden. Und es ist eine Binsenweisheit: Wer sich der Forderung nach just in time verschließt, hat nicht unbedingt die besten Chancen am Markt.

Insgesamt fühlen wir uns gut aufgestellt und für die Zukunft gerüstet. Wir bilden regelmäßig Nachwuchs aus und sehen im Übrigen eine gesicherte Perspektive für unsere Mitarbeiter, einem Team von insgesamt 35 überwiegend sehr erfahrenen Fachkräften.“

Der Einsatz des Materials Neopren ist weitestgehend im Schwimm- und Tauchsport bekannt. Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es noch?

„Da passen Sie mit Ihrer Bemerkung vollkommen ins Klischee! Denn nahezu alle Menschen, die sich bisher noch nicht sonderlich mit dem Thema Neopren befasst haben und mit denen man über unser Produkt ins Gespräch kommt, assoziieren Neopren ausschließlich mit wassersportlichen Aktivitäten, namentlich mit dem Tauchanzug. Sie wundern sich dann, wenn sie erfahren, wie vielfältig die Einsatzmöglichkeiten von Neopren sind. Manchmal wundern wir uns selbst, was so alles aus unserem Material entsteht. Mal ist es die Unterlage für den Kinnhalter der Geige, mal die mattschwarze Präsentationsunterlage für hochwertigen Schmuck, das Halsband vom Swarovski-Feldstecher, das ausgefallene Kostüm auf einer Münchener oder Berliner Theaterbühne oder die Frisbee-Scheibe aus Neopren, die ihrem Pendant aus Plastik in punkto Flugeigenschaften bei deutlich geringerer Verletzungsgefahr nicht nachsteht. Doch Spaß beiseite. Wenn Sie die folgenden Produkte sehen, dann sollten Sie wissen - hier steckt (sehr oft) auch Neopren drin und sehr häufig kommt das aus Fürstenwalde: Wassersportbekleidung und –ausrüstung, Fischerei- und Anglerzubehör, Bootsausrüstungen, Sport- und Medizinbandagen, Stütz- und Polsterelemente (Arbeitsschutz, Orthopädie), Einlegesohlen, Gurte und Transportbänder, Schutzhüllen für hochempfindliche Geräte, Trekkingausrüstung, Pferdebandagen/-gamaschen, Hufschoner, Jagd- und Radsportzubehör, Motorradbekleidung, Kälte- und Klimaschutz, Feuerwehr-Spezialbekleidung, Handschuhe, Überlebensanzüge, Möbelelemente, Trendbekleidung, Accessoires und vieles mehr. Ja, und vielleicht bringen Sie uns noch auf weitere Anwendungsideen?

Bei manch einschlägigen, oft sehr preiswerten Massenprodukten wie Laptop-Hüllen, Dosen- und Flaschenkühlern, Yogamatten oder Mauspads sollten Sie allerdings eher skeptisch sein. Diese mögen, wie es Werbung und Etiketten verheißen, in einzelnen Fällen tatsächlich aus Neopren bestehen. Aber das sollten Sie dann besser beim entsprechenden Hersteller in China in Erfahrung bringen, zumindest aber einer kritischen Prüfung unterziehen.“

Wie kamen Sie mit UHY in Kontakt und wobei können wir Sie besonders unterstützen?

„Der Kontakt zu UHY entstand in den Jahren 2001/2002, als ich mich mit der Übernahme der SEDO beschäftigte. Speziell Herr Lauer war bei der Due Diligence eine sehr kompetente und wertvolle Hilfe.

Seit 2002 leiten Herr Roland Loch und ich die SEDO Chemicals gemeinsam als geschäftsführende Gesellschafter. Seitdem berät und betreut uns UHY vornehmlich in Steuerfragen und im Zusammenhang mit der Erstellung und gelegentlichen Prüfung von Jahresabschlüssen.

Dafür möchten wir uns an dieser Stelle ausdrücklich bei allen beteiligten Mitarbeitern bedanken, namentlich bei Herrn Igor Stranz, der uns, auch in diffizilen Momenten, stets ein akribischer und kritischer, gleichwohl fairer und angenehmer Begleiter ist.“

Wir danken Ihnen sehr für das Gespräch, Herr Goyer, und wünschen Ihnen und Ihrem Unternehmen weiterhin viel Erfolg!

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