Passive Steuerlatenzen bei geringwertigen Wirtschaftsgütern

Lars Schewiola, WP/StB, UHY Deutschland AG, Köln

Gunter Stoeber, WP/StB, UHY Deutschland AG, Köln

In der letzten Ausgabe des UHY-Newsletters wurde die   Struktur für die Bilanzierungspraxis von GWG dargestellt:


I. Problemstellung

II. Geringwertige Wirtschaftsgüter

Nachfolgend soll zunächst ein Überblick über die Thematik der latenten Steuern vermittelt werden, wobei der Fokus auf passive latente Steuern gerichtet wird. Auf eine im Schrifttum und zwischen der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) vgl. hierzu die Ausführungen der BStBK vom 12. Oktober 2012 http://www.bstbk.de/themen/rechnungslegung-   und dem Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) vgl. hierzu Positionspapier des IDW vom 15. Oktober 2012 http://www.idw.de sowie IDW RS HFA 7„Zum Ausweis passiver latenter Steuern als Rückstellungen in der HB“ geführte Diskussion wird in diesem Beitrag nicht näher   eingegangen. Die Autoren orientieren sich bei ihren Ausführungen ausschließlich an der Position des IDW.

Anschließend soll eine bislang in der Bilanzierungspraxis nur am Rande erörterte Fragestellung, die sich mit dem Zusammenspiel von GWG und passiven latenten Steuern beschäftigt, als erhebliche Gefahrenquelle für die Ergebnispolitik von bilanzierenden Unternehmen aufgezeigt werden. Abschließend werden Lösungsvorschläge zur Vermeidung bzw. zur Bekämpfung von derartig negativen Ergebniseffekten vorgestellt.

III. Latente Steuern

1.   Begriff „Latente Steuern“

Mit dem Inkrafttreten des BilMoG hat sich das Konzept zur Bildung latenter Steuern fundamental verändert, da die Formulierungen des § 274 HGB a.F. nun vollständig überarbeitet worden sind.

 

 

 

 

Unter einer latenten Steuer versteht man den Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen Steuerschuld und der auf das HB-Ergebnis bezogenen fiktiven Steuerschuld, die sich im Laufe zukünftiger Geschäftsjahre wieder ausgleicht. Somit entstehen latente Steuern im Jahresabschluss, sofern sich Abweichungen zwischen der Bilanzierung/Bewertung nach Handels- und Steuerrecht ergeben,  welche sich in späteren Geschäftsjahren voraussichtlich wieder ausgleichen werden. Als Folge der bilanziellen Abweichungen können die auf der Grundlage der StB ermittelten tatsächlichen Steuern im Verhältnis zum HB-Ergebnis zu hoch oder zu niedrig sein. Dementsprechend wird zwischen passiven und aktiven latenten Steuern unterschieden.

Die gesetzliche Regelung zu den latenten Steuern im   handelsrechtlichen Jahresabschluss befindet sich in § 274 HGB. Eine sich aus  Abweichungen ergebende Steuerbelastung ist gem. § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB   zwingend in der HB als passive latente Steuer anzusetzen und nach § 266 Abs. 3 E HGB gesondert als solche auszuweisen. Bei der latenten Steuerabgrenzung   handelt es sich nach dem Willen des Gesetzgebers um einen „Sonderposten eigener Art“. Das Passivierungsgebot zum Ausweis passiver latenter Steuern nach § 274 Abs. 1 HGB gilt jedoch nur für große und mittelgroße Kapitalgesellschaften sowie für die nach § 264a HGB gleichgestellten Personengesellschaften.

Hingegen werden kleine Gesellschaften unter den   Voraussetzungen des § 274a Nr. 5 HGB grundsätzlich von der Bildung latenter Steuern befreit. Das heißt jedoch nicht, dass kleine Kapitalgesellschaften sowie die nach § 264a Abs. 1 HGB gleichgestellten Personengesellschaften, die auch nicht freiwillig § 274 HGB anwenden, nicht gleichwohl Rückstellungen für passive latente Steuern anzusetzen haben, soweit diese die Tatbestandsvoraussetzungen für den Ansatz einer Verbindlichkeiten Rückstellung nach der für alle Kaufleute geltenden allgemeinen Vorschrift des § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB erfüllen. Nach Ansicht des   IDW (IDW RS HFA 7) ist das

 

grundsätzlich der Fall, wenn Differenzen zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden und   Rechnungsabgrenzungsposten und den korrespondierenden steuerlichen Wertansätzen entstehen, deren Abbau künftig zu einer Steuerbelastung führt. Somit haben auch kleine Kapitalgesellschaften, nicht haftungsbeschränkte   Personenhandelsgesellschaften und Einzelkaufleute nach den für alle Kaufleute geltenden allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen passive latente Steuern, die   gleichzeitig die Tatbestände einer Verbindlichkeiten-Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB erfüllen, zwingend zu erfassen. Dies gilt jedoch nicht für sog. quasi-permanente Differenzen (vgl. hierzu nachfolgend Kapitel 3.2.4).

Der Aufwand oder Ertrag aus Zuführungen bzw. Auflösungen von latenten Steuern ist in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) gem. § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB unter dem Posten „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“  auszuweisen. Nach gängiger Praxis ist der Ausweis unter diesem Posten auch dann vorzunehmen, wenn aufgrund einer vorzunehmenden Auflösung (Ertrag) sich ein Haben-Saldo ergibt.

Die Abgrenzung passiver latenter Steuern hat auch aufgrund zahlreicher steuerrechtlicher Wahlrechte, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz EStG unabhängig von der HB ausgeübt werden, eine enorme praktische Bedeutung   erlangt. Dementsprechend können bspw. steuerrechtliche Abschreibungen (wie   Sonder-AfA, GWG-Sofort-AfA oder auch erhöhte Absetzungen für Abnutzung) zur Entstehung von latenten Steuern führen. Gleiches gilt auch für die Übertragung stiller Reserven nach § 6b Abs. 3 EStG, die Bildung einer steuerfreien Rücklage bei Ersatzbeschaffung gem. R 6.6 Abs. 4 EStR sowie bei der Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g Abs. 1 EStG.

Während § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB für passive Steuerlatenzen ein Bilanzierungsgebot vorschreibt, besteht gem. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB

        

für latente Steueransprüche ein Aktivierungswahlrecht in der HB. Der gesonderte Ausweis im handelsrechtlichen Bilanzgliederungsschema bestimmt sich für latente Steuerentlastungen nach § 266 Abs. 2 D HGB. Aktive   latente Steuern entstehen bspw., sofern in einer HB eine höhere AfA als in der StB vorgenommen wird. Des Weiteren ergeben sich nach § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB aktive Steuerlatenzen, wenn steuerliche Verlustvorträge vorhanden sind.

Sofern aktive als auch passive latente Steuern existieren, kann von einem Wahlrecht Gebrauch gemacht werden, wonach gem. § 274 Abs. 1  Satz 4 HGB sowohl ein unsaldierter als auch ein saldierter Ausweis der   aktiven und passiven Steuerlatenzen möglich ist. Entscheidet sich ein Unternehmen, von der Aktivierung aktiver latenter Steuern keinen Gebrauch zu  machen, umfasst die Passivierungspflicht bei einem saldierten Ausweis  lediglich den Überhang der passiven Steuerlatenz, welche eine künftige Steuerentlastung übersteigt. Dieses Wahlrecht unterliegt jedoch der Ausweisstetigkeit und kann somit nicht von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausgeübt werden. Die Beträge der sich ergebenden Steuerbe- und -entlastung  sind mit den unternehmensindividuellen Steuersätzen im Zeitpunkt des Abbaus der Differenz zu bewerten (§ 274 Abs. 2 Satz 1 HGB). Sind die individuellen Steuersätze im Zeitpunkt der Umkehrung nicht bekannt, sind die am Bilanzstichtag gültigen individuellen Steuersätze anzuwenden. Jedoch sind Änderungen von Steuersätzen   zu berücksichtigen, sofern die maßgebende Körperschaft die Änderung vor oder am Bilanzstichtag verabschiedet hat. Eine Abzinsung erfolgt hierbei jedoch nicht (§ 274 Abs. 2 Satz 1 HGB). Die Verpflichtung, Angaben zur latenten Steuerbelastung im Anhang zu machen, ergibt sich aus § 285 Nr. 29 HGB.

Beispiel:

Die X-AG aktiviert in ihrem handelsrechtlichen Jahresabschluss zum 31. Dezember 2013 Entwicklungskosten in Höhe von Mio. EUR 5. Da die   Aktivierung von Entwicklungskosten steuerlich jedoch gem. § 248 Abs. 2 HGB nicht aner-

kannt wird, ergibt sich in der HB zum 31. Dezember 2013  grundsätzlich eine Verpflichtung, diese passive Steuerlatenz zu erfassen. Bei  einem Steuersatz von 30 % (Körperschaftsteuer 15 % sowie Gewerbesteuer 15 %) wäre eine pas-sive latente Steuer in Höhe von Mio. EUR 1,5 im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2013 zwingend zu zeigen. Darüber hinaus verfügt die X-AG jedoch auch über gewerbesteuerliche Verlustvorträge in Höhe von Mio. EUR 10, hingegen existieren körperschaftsteuerliche Verlustvorträge nicht. Die X-AG machte von ihrem Wahlrecht zur Aktivierung der aktiven latenten Steuern auf ihre gewerbesteuerlichen  Verlustvorträge bislang keinen Gebrauch. Da die X-AG im Jahr 2013 einen Jahresüberschuss  in Höhe von Mio. EUR 1 erwirtschaftet hat und keine weiteren Maßnahmen zur Beeinflussung des Jahresergebnisses vornehmen möchte, macht sie von der   Möglichkeit der Saldierung aktiver und passiver latenter Steuern Gebrauch.  Die aktiven latenten Steuern betragen im Beispielsfall ebenfalls Mio. EUR 1,5 (Gewerbesteuer 15 %), so dass nach Saldierung der beiden Steuerlatenzen eine passive latente Steuer nicht mehr ausgewiesen werden muss. Die in der Bilanz ausgewiesenen Steuerlatenzen sind  grundsätzlich aufzulösen, sobald die Steuerbelastung oder -entlastung eintritt oder aber mit ihr nicht mehr zu rechnen ist (§ 274 Abs. 2 Satz 2 HGB). Dabei sind auch Sachverhalte zu berücksichtigen, in denen mit einer Steuerbelastung oder -entlastung in einer anderen als der ursprünglich ermittelten Höhe gerechnet wird. Für den Fall, dass ein Unternehmen von dem Wahlrecht zum Ansatz von aktiven latenten Steuern Gebrauch macht, greift gem. § 268 Abs. 8 HGB in Höhe des aktivierten Betrags eine Ausschüttungssperre. Für die Ermittlung der Höhe des ausschüttungsgesperrten Betrags sind bei einem   Ausweis von aktiven latenten Steuern ggf. vorhandene passive latente Steuern abzuziehen.

Beispiel:

Zum 1. Januar 2013 erwarb die X-AG die Y-GmbH zu einem Kaufpreis von Mio. EUR 10. Das buchmäßig ausgewiesene Eigenkapital der

         

Y-GmbH betrug zu diesem Zeitpunkt nur Mio. EUR 5.   Zum Erwerbszeitpunkt wird ersichtlich, dass vorliegend Mio. EUR 5 stille Reserven vorhanden sind. Im Februar 2013 wird die Y-GmbH rückwirkend auf den 1. Januar 2013 auf die X-AG verschmolzen. Die stillen Reserven bei der Y-GmbH können jedoch nicht einzelnen WG zugeordnet werden, so dass im Verschmelzungsfall zum 1. Januar 2013 nur eine Einbuchung des Betrags von Mio. EUR 5 bei der X-AG   als Firmenwert in Betracht kommt. Aufgrund neuerer Erkenntnisse wird dieser Geschäfts- und Firmenwert (GoF) in der HB der X-AG zum 31. Dezember 2013 mangels Werthaltigkeit zu 100 % ergebniswirksam abgeschrieben. Steuerlich ergibt sich jedoch lediglich ein AfA-Satz von rd. 6,67 %, da der GoF im Rahmen der StB  über 15 Jahre abgeschrieben werden muss und auch lt. Auskunft bei der Finanzverwaltung eine volle AfA des Firmenwerts mangels Werthaltigkeit steuerlich nicht akzeptiert wird (diese Ansicht der Finanzverwaltung wird nach herrschender Meinung in der Fachliteratur als äußerst strittig angesehen).

Aus steuerlicher Sicht ergibt sich für 2013 somit eine   Jahres-AfA von TEUR 333. Stellt man diesen Betrag der handelsrechtlichen  Voll-AfA-2013 in Höhe von Mio. EUR 5 gegenüber, ergibt sich eine Abweichung zwischen der HB und StB in Höhe von Mio. EUR 4,67. Unter der Annahme, dass bei der X-AG keine steuerlichen Verlustvorträge vorhanden sind, ergibt sich  bei einem Steuersatz von 30 % eine Steuerlatenz in Höhe von Mio. EUR 1,4, die unter Ausübung des Wahlrechts zum 31. Dezember 2013 in der HB aktiviert werden kann. Bei Aktivierung der aktiven latenten Steuer greift die Ausschüttungssperre des vollständigen Betrags in Höhe von Mio. EUR 1,4 gemäß § 268 Abs. 8 HGB.

Die gesetzliche Regelung des § 274 HGB hat das Ziel, jeder  Periode den Steueraufwand zuzuordnen, der dem HB-Ergebnis entspricht, wobei vorausgesetzt wird, dass sich die Differenz zwischen HB und StB im Laufe der   Zeit

wieder ausgleichen werden. Dem Bilanzadressaten soll dadurch ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-,  Finanz- und Ertragslage vermittelt werden. Die Regelungen zu Steuerlatenzen im handelsrechtlichen Konzernabschluss und nach internationalen Bilanzierungsnormen (IFRS sowie US-GAAP) werden im Rahmen dieses Beitrags nicht thematisiert.

2. Temporary-Konzept

2.1 Jüngere Entwicklungen

Nach der Neufassung des § 274 HGB durch das BilMoG basiert die Abgrenzung latenter Steuern nicht mehr so wie es bislang in der handelsrechtlichen Bilanzierungspraxis üblich war auf einem an der GuV orientierten Konzept (Timing-Konzept), bei dem das handelsrechtliche und das steuerliche Ergebnis einander gegenüber gestellt wurden. Das BilMoG hat das bisher geltende Timing-Konzept zur latenten Steuerabgrenzung durch ein an die internationalen Bilanzierungsvorschriften angelehntes Konzept zur bilanzorientierten latenten Steuerabgrenzung (Temporary-Konzept) ersetzt. Im Rahmen des Temporary-Konzepts unterscheidet man zwischen den nachfolgend im Einzelnen dargestellten Differenzen.

2.2 Temporäre Differenzen

Temporäre Differenzen sind zeitlich begrenzte Unterschiede von Buchwerten eines WG oder einer Schuld zwischen der HB und der StB. Die temporären Differenzen haben die Eigenschaft, sich künftig wieder auszugleichen. Hierbei erfassen temporäre Differenzen nicht nur solche Fälle,   in denen der betreffende Bilanzposten sowohl in der HB als auch in der StB   angesetzt ist (Bewertungsunterschiede wie bspw. Durchschnittsbewertung in der   HB und Lifo-Methode in der StB), sondern auch solche Fälle, bei denen der Bilanzposten entweder nur in der HB (z. B. Drohverlustrückstellungen) oder aber nur in der StB (z. B. steuerfreie Rücklagen) anzusetzen ist   (Ansatzunterschiede). Handelt es

 

sich um passive Latenzen, fallen latente Steuern grds. zwingend an (bspw. GWG bis EUR 150,00,die in der HB linear über Ihre Nutzungsdauer abgeschrieben, jedoch in der StB sofort und zwar vollumfänglich abgeschrieben werden), woraus sich jeweils ein höherer handelsrechtlicher Buchwert als in der StB ergibt.

 

Beispiel:

Die X-AG bilanziert in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2013 ein Grundstück mit einem Buchwert von Mio. EUR 7. In 2013 veräußert sie dieses Grundstück und erzielt hierbei einen Veräußerungspreis von Mio. EUR   10. Insoweit entsteht aus dieser Transaktion für die X-AG ein grundsätzlich steuerpflichtiger Ertrag in Höhe von Mio. EUR 3. Da die X-AG jedoch beabsichtigt,   in den kommenden zwei Jahren ein adäquates Ersatzgrundstück zu erwerben,  bildet sie zum 31. Dezember 2013 in ihrer StB einen Sonderposten mit Rücklageanteil gem. § 6b EStG in Höhe von Mio. EUR 3, der dazu führt, dass der Veräußerungsgewinn steuerlich zunächst unversteuert   bleibt. Aufgrund des Wegfalls der umgekehrten Maßgeblichkeit kann dieser Sonderposten jedoch nicht auch in der HB angesetzt werden. Aus diesem Grund ergibt sich eine Abweichung der Handels- von der StB in Höhe von Mio. EUR 3. Bei einem Steuersatz von 30 % ergibt sich somit eine passive latente Steuer in Höhe von   EUR 900.000,00, die grds. bilanziert werden muss.

2.3 Permanente Differenzen

Im Unterschied zu temporären Differenzen kehren sich die   permanenten Differenzen künftig nicht mehr um. Ein klassisches Beispiel hierfür sind die steuerlich nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben gem. § 5 Abs. 4 EStG oder aber auch steuerfreie Erträge nach § 8 b Abs. 1 und 2 KStG. In diesen Fällen liegen permanente Differenzen vor, da sich diese Differenzen nicht mehr ausgleichen werden. Ein Ansatz latenter Steuern kommt bei permanenten Differenzen nicht in Betracht.

Beispiel:

Die X-AG ist an der Z-GmbH zu 100 % beteiligt. Da es sich bei der Z-GmbH ebenfalls um ein florierendes Unternehmen handelt, schüttet diese in 2013 einen Betrag in Höhe von Mio. EUR 9 an die X-AG aus. Dieser Ausschüttungsbetrag ist bei der X-AG handelsrechtlich als Beteiligungsertrag ergebniswirksam zu verbuchen, gleiches gilt grundsätzlich auch für die StB.  Jedoch ist der Betrag steuerlich gem. § 8b KStG zu 95 % steuerfrei (5 % steuerlich nicht abzugsfähige Betriebsausgaben). In der steuerlichen Einkommensermittlung muss der nach § 8b KStG steuerfreie Beteiligungsertrag in Höhe von Mio. EUR 8,55 außerbilanziell neutralisiert werden. Da es sich   hierbei um eine permanente Differenz handelt, kommt der Ausweis einer Steuerlatenz insoweit nicht in Frage.

2.4 Quasi-Permanente Differenzen

Bei den quasi-permanenten Differenzen handelt es sich um Unterschiedsbeträge, die zwar zeitlich begrenzt sind, sich jedoch erst am Ende der Lebenszeit eines Unternehmens oder durch unvorhersehbare Umstände wieder umkehren. Demnach ist in diesen Fällen eine Umkehrung nicht zwangsläufig gegeben. Im Unterschied zu permanenten Differenzen sind quasi-permanente Differenzen sehr wohl zu bilanzieren. Nachfolgend soll die Thematik der quasi-permanenten Differenzen anhand eines Praxisbeispiels dargestellt werden.

Beispiel:

In der HB der X-AG ist ein unbebautes Grundstück mit einem Buchwert in Höhe von Mio. EUR 5 zum 31. Dezember 2013 aktiviert. Aufgrund einer in 2013 abgeschlossenen Betriebsprüfung, in der ein   Betriebsprüfer die bislang auch steuerlich ergebniswirksam verbuchten Grundstücksaufwendungen  in Höhe von Mio. EUR 2 steuerlich nicht anerkannte, beträgt der steuerliche Buchwert nun nicht mehr Mio. TEUR 5, sondern Mio. TEUR 7. Hier liegt eine quasi-permanente Differenz vor, da sich die unterschiedliche Bewertung in HB und StB nicht von selbst auflösen wird und  mit einer

 

entsprechenden Auflösung grds. auch nicht in absehbarer Zeit gerechnet werden kann. Die quasi-permanente Differenz wird sich regelmäßig erst bei der Veräußerung des Grundstücks auflösen. Im Unterschied zum bisherigen   GuV-orientierten Timing-Konzept sind nach BilMoG nunmehr auch quasi-permanente Differenzen einzubeziehen. Legt man einen Gesamtsteuersatz von 30 % zu Grunde, existiert zum 31. Dezember 2013 eine aktive latente Steuer in Höhe von TEUR 600.

2.5 Steuerliche Verlustvorträge

Darüber hinaus sind - obwohl es sich hierbei nicht um   Differenzen im eigentlichen Sinn handelt - gem. § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB auch steuerliche Verlustvorträge bei der Berechnung von aktiven latenten Steuern zu berücksichtigen. Nach dem Willen des Gesetzgebers können latente Steuererstattungsansprüche nur insoweit aktiviert werden, soweit diese innerhalb der nächsten 5 Jahre verbraucht werden können. Hierauf aufbauend wurde in der Fachliteratur zwiespältig diskutiert, ob eine aktive Steuerlatenz aufgrund eines steuerlichen Verlustvortrags nur in Höhe des Verbrauchs innerhalb der nächsten 5 Jahre oder aber ohne zeitliche Begrenzung mit einer passiven latenten  Steuer saldiert werden kann. Nach der heutigen herrschenden Meinung in der Fachliteratur kommt eine zeitliche Begrenzung von 5 Jahren bei der Saldierung mit passiven Steuerlatenzen nun nicht mehr in Betracht. Somit kann eine aktive latente Steuer aufgrund von steuerlichen Verlustvorträgen in Höhe eines zeitlich unbegrenzten Verbrauchs und zwecks Vermeidung bzw. Verringerung von ansonsten zwingend zu bilanzierenden passiven Steuerlatenzen nunmehr mit passiven latenten Steuern verrechnet werden.

 

 

IV. Gefahrenquelle GWG und passive   Steuerlatenzen

 

In der bislang gängigen Bilanzierungspraxis und Fachliteratur wird nach einer eingehenden Recherche des Verfassers das Zusammenspiel zwischen der steuerlich vom Handelsrecht abweichenden Bilanzierung und   Bewertung von GWG und der sich hieraus zwingend ergebenden Bildung von teilweise erheblichen passiven latenten Steuern nur am Rande erörtert. Nachfolgend wird aufgezeigt, dass es sich hierbei um eine erhebliche Gefahrenquelle für eine Vielzahl von bilanzierenden Unternehmen handelt. Betroffen sind hiervon nicht nur große und mittelgroße Kapitalgesellschaften sowie für die nach § 264a HGB gleichgestellten Personengesellschaften.

 

Auch kleine Kapitalgesellschaften sowie die nach § 264a Abs. 1 HGB gleichgestellten Personengesellschaften - die zwar grds. nicht die Vorschrift des § 274 HGB anwenden müssen - haben gleichwohl Rückstellungen für passive latente Steuern anzusetzen, soweit diese die   Tatbestandsvoraussetzungen für den Ansatz ei-ner Verbindlichkeiten-Rückstellung nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB erfüllen. Darüber hinaus kann es - insbesondere   bei Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit wesentlich auf eine Vermietung (bzw. Leasing) von GWG ausgerichtet haben - zu massiven unerwünschten   Bilanzierungseffekten kommen. Diese Problematik wird nachfolgend an einem Praxisbeispiel dargestellt.

Ausgangs-Beispiel:

Die X-AG übt in ihrem Kerngeschäft den Ankauf, Verleih sowie die Reinigung und erneute Auslieferung von hochwertiger Mietwäsche aus. Im Herbst 2008 konnte sie eine Ausschreibung für sich entscheiden und erhielt im   Dezember 2008 einen Auftrag vom Auftraggeber A, für dessen Ausführung die X-AG Investitionen in Textilien im Umfang von EUR 10 Mio. tätigen musste. Da die X-AG   die Textilien (GWG mit AK bis zu EUR 150,00) nicht auf Lager hatte, orderte sie die benötigten Textilien bei einem Her-

 

steller H. Die Lieferung durch H an die X-AG erfolgte am   1. September 2009. Die X-AG weist die Textilien mit ihren AK in Höhe von Mio. EUR 10 im AV aus und schreibt diese   über eine ND von 7 Jahren in ihrer HB linear ab. Dies führt handelsrechtlich zu einer ergebnismindernden AfA in Höhe von TEUR 1.429 in den Jahren 2009 bis 2015. Aus steuerlichen Gründen erfolgt jedoch gemäß der zwingenden gesetzlichen Regelung, die für die Jahre 2008 und 2009 galt, in 2009 eine steuerliche Sofort-AfA in voller Höhe. Hieraus ergibt sich für 2009 ein das steuerliche Ergebnis mindernder Einmal-Effekt in Höhe von Mio. EUR 10. Darüber hinaus erhält die X-AG von der A zwei weitere Aufträge über jeweils ebenfalls Mio. EUR 10. Die A benötigt diese Textilien zum 1. Januar 2011 sowie zum 1. Januar 2013. Insoweit nimmt die X-AG die entsprechenden Bestellungen bei H vor, so dass die Lieferung durch die X-AG an A zum 1. Januar 2011 sowie zum 1. Januar 2013 termingerecht erfolgen kann. Die X-AG schreibt die Textilien in ihrer HB ebenfalls wieder über sieben Jahre ab. Ferner wird in 2011 sowie 2013 gemäß dem ab 2010 geltenden Wahlrecht eine Sofortabschreibung in der StB durchgeführt.

 

Der Körperschaftsteuersatz beträgt 15 %, gleiches gilt für die Gewerbesteuer. Somit ergibt sich insgesamt eine Steuerbelastung in Höhe von 30 % p. a. Aus den unterschiedlichen Abschreibungen in der HB und StB ergeben sich in diesem Beispiel passive Steuerlatenzen (d. h. Abweichungen zwischen HB und StB bei einem Steuersatz von 30 %) in Höhe von: 31. Dezember 2009 TEUR 2.571;

31. Dezember 2010   TEUR 2.143;

31. Dezember 2011   TEUR 4.286;

31. Dezember 2012   TEUR 3.429;

31. Dezember 2013   TEUR 5.143;

31. Dezember 2014   TEUR 3.857;

31. Dezember 2015   TEUR 2.571;

31. Dezember 2016   TEUR 1.714;

31. Dezember 2017   TEUR    857;

31. Dezember 2018   TEUR    429;

31. Dezember 2019   TEUR        0.

 

 

Aus dieser beispielhaften Darstellung wird ersichtlich, dass  die X-AG vorliegend der Verpflichtung zur Passivierung von Steuerlatenzen unterliegt und erhebliche passive latente Steuern in ihren Handelsbilanzen 2009 bis 2018 auszuweisen hat. Diese Verpflichtung trifft die X-AG nicht nur als große bzw. mittelgroße Kapitalgesellschaft, sondern ebenfalls - wie zuvor in Kapitel III.1 gezeigt - als kleine Kapitalgesellschaft. Sofern ein bilanzierendes Unternehmen (bspw. eine nicht prüfungspflichtige kleine Kapitalgesellschaft), das seine Handelsbilanzen regelmäßig selbst erstellt, nicht mit einem derartig massiven Ergebniseffekt in seiner HB gerechnet hat, kann sich hierdurch ein unerwünschter Überraschungseffekt ergeben. Dieser kann bspw. auch zu einer Verschlechterung des Ratings bei Kreditverhandlungen des Bilanzierenden führen.

V. Konsistente Lösungsvorschläge

In Kapitel IV wurde soeben die Problematik der passiven   Steuerlatenzen bei GWG anhand eines Praxisbeispiels dargestellt. Es stellt  sich die Frage, ob es Möglichkeiten gibt, dieser Problematik entgegenzuwirken bzw. diese bestmöglich sogar zu vermeiden. Nachfolgend werden entsprechende Lösungsvorschläge anhand von zwei weiteren Praxisbeispielen dargestellt

Ausgangs-Beispiel (erweitert):

Es gelten die gleichen Sachverhaltsvorausset-zungen wie   im zuvor dargestellten Praxis-Bei-spiel der X-AG (vgl. Kapitel IV). Das Beispiel wird jedoch nun noch wie folgt erweitert: Zum einen wird davon ausgegangen, dass die X-AG in jedem Jahr einen handelsrechtlichen Jahresüberschuss in Höhe von Mio. EUR 1 erwirtschaftet. Aufgrund der steuerlichen Sofortabschreibung von jeweils Mio. EUR 10 in den Jahren 2009, 2011 sowie 2013 entstehen hierdurch im Sachverhalt Verlustvorträge, die bei einem Steuersatz von ebenfalls 30 % zu aktiven Steu-erlatenzen führen. Die sich hieraus ergebenden aktiven   latenten Steuern können mit den passiven Steuerlatenzen verrechnet werden. Ergibt

 

sich hieraus ein passiver Überhang, ist der Bi-lanzierende   zwar nach wie vor verpflichtet, passive latente Steuern zu bilanzieren, je nach Konstellation jedoch in einem deutlich verringerten Umfang. Sofern sich sogar ein Überhang der aktiven Steuerlatenzen ergibt, könnte der Bilanzierende sogar die Passivierung von Steuerla-tenzen gänzlich vermeiden.

In unserem um steuerliche Verlustvorträge erweiterten   Ausgangsbeispiel konnte die passive Steuerlatenz aus Kapitel IV durch die Verrechnung mit aktiven latenten Steuern deutlich reduziert werden. Es ergeben sich nunmehr (nur noch) folgende passive Überhänge:

31. Dezember 2009     TEUR    300;

31. Dezember 2010     TEUR    600;

31. Dezember 2011     TEUR    900;

31. Dezember 2012     TEUR 1.200;

31. Dezember 2013     TEUR 1.500;

31. Dezember 2014     TEUR 1.800;

31. Dezember 2015     TEUR 2.100;

31. Dezember 2016     TEUR 1.714;

31. Dezember 2017     TEUR    857;

31. Dezember 2018   TEUR      429;

31. Dezember 2019   TEUR        0.

 

Eine weitere Möglichkeit zur Verminderung bzw.   Vermeidung von passiven Steuerlatenzen ergibt sich, sofern der Bilanzierende auf die Möglichkeit einer steuerlichen Sofortabschreibung verzichtet und auch   steuerlich eine planmäßige AfA über die betriebsgewöhnliche ND vornimmt. In unserem fortgeführten Beispielsfall bedeutet dies Folgendes:

Beispiel (weiter fortgeführt):

Die X-AG entscheidet sich, zwecks Verminderung der passiven Latenzen nun steuerlich von einer Sofortabschreibung abzusehen. Da es sich hierbei jeweils auch um GWG mit AK bis EUR 150,00 handelt, besteht für   Zeiträume ab 2010 die Möglichkeit, von einer (bis 2009 noch zwingend vorzunehmenden) Sofortabschreibung abzusehen und auch steuerlich eine Aktivierung nebst planmäßiger Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer vorzunehmen.

 

 

In unserem fortgeführtem Beispiel beträgt die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für die StB ebenfalls 7 Jahre, sodass auch steuerlich eine lineare Abschreibung der GWG über 7 Jahre erfolgen kann. In den Jahren 2009 bis 2012 verändern sich die passiven Steuerlatenzen zu dem letztgenannten Beispiel zwar nicht. Durch diese Maßnahme ergeben sich jedoch erheblich geringere Überhänge von passiven Steuerlatenzen in den Jahren 2013 bis 2018. Diese betragen nunmher in 2013 TEUR 857, in 2014 TEUR 429 und ab 2015 TEUR 0. Durch diesen Lösungsansatz wird ersichtlich dass durch Verzischt auf steuerliche Sofortabschreibung die passiven latenten Steuern deutlich vermindert werden können, was für den Bilianzierenden auch in etwaigen Bankgesprächen (Rating) vorteilhaft sein kann. Verfügt ein Bilianzierender über weitere Sachverhalte, die zu aktiven Steuerlatenzen führen, können passive latente Steuern durch Saldierung sogar vollständig vermieden werden.