Änderungen der Steuerschuldner-schaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen durch das „Kroatien-gesetz“ ab dem 1. Oktober 2014
Die Regelungen zur umsatzsteuerlichen Steuer-schuldnerschaft des Leistungsempfängers von Bauleistungen gemäß § 13b UStG (sog. „Umkehr der Steuerschuldnerschaft“ oder „Reverse-Charge-Verfahren“) sind in den letzten eineinhalb Jahren wiederholt Gegenstand von Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen gewesen. Zum 1. Oktober 2014 sind sie nun durch das „Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (sog. „Kroatiengesetz“) gesetzlich geändert worden.
Bislang, das heißt bis zum 14. Februar 2014 schuldete nach § 13b UStG der Empfänger von Bauleistungen die Umsatzsteuer bei bestimmten an ihn erbrachten Bauleistungen, wenn er seinerseits Bauleistungen erbringt. Dazu wurde die Vorschrift des § 13b UStG durch die Finanzverwaltung im Umsatzsteueranwendungserlass dahingehend interpretiert, dass ein Unternehmer dann nachhaltig Bauleistungen erbringt, wenn diese mehr als 10 % seines Weltumsatzes ausmachen. Diese Regelung führte zu Unsicherheiten, weil der leistende Unternehmer mitunter keine Kenntnis vom Umfang der Bauleistungen des Leistungsempfängers haben konnte. Hilfreich war es daher, wenn der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmer eine Baufreistellungsbescheinigung nach § 48b EStG vorlegen konnte, mit der die Eigenschaft als Bauleister zumindest indiziert wurde.
Insbesondere die 10 %-Regelung der Finanzverwaltung wurde in einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 als nicht ausreichend rechtssicher verworfen. Im zu Grunde liegenden Streitfall war zu entscheiden, ob ein Bauträger, der als Generalunternehmer auftritt, bezüglich der an ihn erbrachten Bauleistungen Steuerschuldner im Sinne des § 13b UStG wird, wenn er die Eingangsleistung nicht selbst zur Erbringung einer derartigen Bauleistung verwendet.
Der BFH entschied, dass § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG nicht einschränkend dahin auslegbar sei, dass der Wechsel der Steuerschuldnerschaft auf Unternehmer begrenzt werde, die „nachhaltig“ bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen erbringen. Zudem könne der Auftragnehmer in der Regel nicht erkennen, ob sein Auftraggeber mindestens 10 % Bauleistungen erbringe. Auch die Vorlage einer Freistellungsbescheinigung nach § 48b EStG habe nur Indizwirkung. Nach Auffassung des BFH ist die Regelung nur dann sicher anzuwenden, wenn der Empfänger der Bauleistung die an ihn erbrachte Leistung seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Dies gilt unabhängig von einer 10 %-Grenze. Damit gilt der Übergang der Steuerschuldnerschaft auch für Unternehmer, die bislang durch die 10 %-Grenze von der Regelung nicht betroffen waren.
Ausfluss des BFH-Urteils ist ferner, dass ein Bauträger keine Bauleistung erbringt, da dessen Tätigkeit eine Lieferung bebauter Grundstücke darstellt. Insoweit kann der Bauträger kein Steuerschuldner im Sinne des § 13b UStG sein. Generalunternehmer hingegen sind für bezogene Bauleistungen regelmäßig als Steuerschuldner nach § 13b UStG anzusehen.
Die Finanzverwaltung hatte die Meinung des BFH übernommen und die 10 %-Grenze im BMF-Schreiben vom 5. Februar 2014 für nicht mehr relevant erklärt. Daraufhin hat der Gesetzgeber reagiert und die ursprüngliche Regelung der Verwaltung weitestgehend in die Neufassung des ab 1. Oktober 2014 geltenden § 13b Abs. 5 S. 2 UStG übernommen. Der Leistungsempfänger ist nunmehr immer dann Steuerschuldner, wenn er selbst nachhaltig Bauleistungen ausführt, auch wenn er die an ihn im Einzelfall erbrachte Bauleistung nicht seinerseits zur Ausführung einer Bauleistung verwendet. Die bis zum 30. September 2014 geltende „bauwerksbezogene“ Betrachtungsweise kommt nicht mehr zur Anwendung. Ein Unternehmer erbringt demnach dann nachhaltig Bauleistungen im Sinne des Gesetzes, wenn mindestens 10 % seines Weltumsatzes aus Bauleistungen bestehen. Davon ist auszugehen, wenn ihm das zuständige Finanzamt eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige, auf längstens drei Jahre befristete Bescheinigung darüber erteilt hat, dass er ein Unternehmer ist, der entsprechende Leistungen erbringt. Künftig prüft und bescheinigt damit das Finanzamt, ob die Regelung des § 13b UStG anzuwenden ist. Eine Rechnung nach Maßstäben des § 13b UStG sollte folglich künftig nur dann ausgestellt werden, wenn der Leistungsempfänger eine entsprechende Bescheinigung vorlegen kann. Allerdings: Wurde dem Unternehmer eine solche Bescheinigung ausgestellt, ist er auch dann Steuerschuldner, wenn er die Bescheinigung gegenüber dem leistenden Unternehmer nicht verwendet. Diese neue Regelung ist vorteilhaft, weil sie für alle Beteiligten Rechtssicherheit schafft.
Zusätzliche Sicherheit bietet das Umsatzsteuergesetz ab 1. Oktober 2014 für künftige Fälle durch eine nunmehr in das Gesetz aufgenommene Vereinfachungsregel: Sind Leistungsempfänger und leistender Unternehmer in Zweifelsfällen übereinstimmend vom Vorliegen der Voraussetzungen für das Reverse-Charge–Verfahren ausgegangen, obwohl dies nach Art der Umsätze nicht zutreffend war, gilt der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen. Um den Vertrauensschutz zu gewährleisten, sollte der einvernehmliche, übereinstimmende Wille, die Leistung im Sinne des § 13b UStG abzurechnen, dokumentiert werden.
Auch wurde eine Regelung in das Gesetz aufgenommen, die mit Blick auf das BFH-Urteill und den Ausschluss von Bauträgern als Steuerschuldner im Sinne von § 13b UStG zur Handhabung von Fällen vor dem 15. Februar 2014 erlassen wurde: Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15. Februar 2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hat, Steuerschuldner zu sein.
Der Leistungsempfänger (betroffen sind primär Bauträger) kann also die an sein Finanzamt in der vermeintlichen Annahme der Geltung des § 13 b UStG entrichtete Umsatzsteuer auf eine vor dem 15. Februar 2014 ausgeführte Leistung vom Finanzamt zurückfordern. Das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt kann auf Antrag zulassen, dass dieser dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt. Die Abtretung wirkt unter bestimmten Voraussetzungen an Zahlungs statt. Die Umsatzsteuerfestsetzung des leistenden Unternehmers wird entsprechend geändert.
In einem Schreiben vom 31. Juli 2014 hat sich das BMF dahingehend geäußert, dass es bei vor dem 15. Februar 2014 ausgeführten Bauleistungen bei einer einvernehmlichen und unveränderten Beibehaltung der bisherigen Handhabung bleiben kann. Diese Vereinfachungsregelung gewährt beiden Unternehmern Rechtssicherheit und Vertrauensschutz. Wird von dieser Vereinfachungsregelung kein Gebrauch gemacht, ist die gegen den Leistenden wirkende Umsatzsteuerfestsetzung für noch nicht verjährte Besteuerungszeiträume zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der ursprünglich im Rahmen von Reverse Charge abgeführten Umsatzsteuer fordert.
Unklar bleibt, wie für die Übergangszeit zwischen dem 15. Februar 2014 und dem 30. September 2014 verfahren werden soll. Laut Finanzverwaltung gilt die 10 %-Nachhaltigkeits-grenze ab 15. Februar 2014 nicht mehr.